Was der Hund sah
Forensic Psychologisfs Handbook, erklärte mir: »Die Angelegenheit ist sehr viel komplizierter, als das FBI annimmt.«
Alison und einer seiner Kollegen beschäftigten sich auch mit der Frage der Homologie. Wenn Douglas Recht hatte, dann gab es eine Entsprechung zwischen einer bestimmten Art des Verbrechens und einem eindeutig identifizierbaren Verbrechertypus. Also untersuchte die Gruppe aus Liverpool 100 Vergewaltigungen in Großbritannien, die außerhalb des Familien- oder Bekanntenkreises verübt wurden, und klassifizierte sie nach 28 verschiedenen Variablen, etwa danach, ob die Täter sich vermummten, ob sie ihrem Opfer Komplimente machten, ob sie es fesselten, knebelten oder ihm die Augen verbanden, ob sie sich entschuldigten, ob sie persönliche Gegenstände stahlen und so weiter. Dann suchten sie nach Entsprechungen zwischen den Verbrechen und den Eigenschaften der Verbrecher - beispielsweise Alter, Beschäftigungsverhältnis, Ethnie, Bildungsniveau, Familienstand, Art und Zahl der Vorstrafen oder Drogenmissbrauch. Hatten Vergewaltiger, die ihre Opfer fesselten, knebelten und ihnen die Augen verbanden, untereinander mehr Gemeinsamkeiten als mit Vergewaltigern, die sich beispielsweise bei ihren Opfer entschuldigen oder ihnen Komplimente machen? Die Antwort war nein.
»Es ist eine Tatsache, dass unterschiedliche Verbrecher aus unterschiedlichen Gründen dasselbe Verhalten aufweisen«, erklärt Brent Tirvey, Forensikexperte und Kritiker des FBI-Ansatzes. »Nehmen wir einen Vergewaltiger, der eine Frau in einem Park überfällt und ihr den Pullover übers Gesicht zieht. Warum tut er das? Was bedeutet das? Es kann ein Dutzend Bedeutungen haben. Vielleicht will er sie nicht sehen. Vielleicht will er nicht, dass sie ihn sieht. Vielleicht will er ihre Brüste sehen. Vielleicht will er sich jemand anderen vorstellen. Vielleicht will er ihr die Arme fesseln. Das ist alles möglich. Man kann diese Verhaltensweise nicht isoliert betrachten.«
Vor einigen Jahren nahm sich Alison noch einmal den Fall der Lehrerin vor, die auf dem Dach ihres Hauses in der Bronx ermordet worden war. Er wollte herausfinden, warum das Profiling des FBI trotz seiner simpel gestrickten Psychologie noch immer eine derartige Wertschätzung genießt. Er ging davon aus, dass dies mit dem Stil zusammenhängen müsse, in dem diese Profile verfasst waren. Und tatsächlich, als er die Analyse des Dachkillers Satz für Satz auseinandernahm, stellte er fest, dass sie derart viele nicht zu bestätigende und widersprüchliche Aussagen enthielt, dass sie fast jede Interpretation zuließ.
Astrologen und Hellseher verwenden diese Kniffe seit Jahren. Der Magier Ian Rowland beschreibt die Formulierungstricks in seinem Klassiker The Full Facts Book of Cold Reading (Handbuch für Wahrsager), der gut und gern auch als Handbuch für den angehenden Profiler dienen könnte. Einen der Kniffe bezeichnet er als Regenbogen, »eine Aussage, die dem Klienten eine Eigenschaft und ihr genaues Gegenteil zuschreibt«. (»Sie sind im Grunde ein sehr ruhiger und unauffälliger Mensch, aber wenn die Umstände und Ihre Stimmung entsprechend sind, gehen Sie aus sich heraus.«) Die Jacques-Feststellung, benannt nach einer Figur in Shakespeares Wie es Euch gefällt, die einen Monolog über die sieben Lebensalter der Menschen hält, schneidet die Prognose auf das Alter des Subjekts zu. Zu einem Kunden um die vierzig könnte der Hellseher beispielsweise sagen: »Wenn Sie ehrlich sind, fragen Sie sich oft, was aus Ihren Jugendträumen geworden ist.« Dann wäre da noch der Barnum-Satz, eine Aussage, die so allgemein ist, dass ihr jeder zustimmen kann, oder der Wischiwaschisatz, eine scheinbare Tatsachenfeststellung, die so formuliert wird, »dass sie ausreichend Spielraum für Konkretisierungen lässt«. (»Ich erkenne eine besondere Beziehung zu Europa, möglicherweise Großbritannien, vielleicht auch einer wärmeren Region, vielleicht dem Mittelmeer?«) Und das ist erst der Anfang. In seinem Buch beschreibt Rowland außerdem Techniken mit so hübschen Namen wie Nachbars Kirschen, die Matrioschka, den Zuckerwürfel, die Gabelung, den Tipp aufs Geratewohl und die umgedrehte Frage, die, in der richtigen Mischung angewandt, selbst den skeptischsten Beobachter davon überzeugen können, dass es sich um wirkliche Erkenntnisse handelt.
»Kommen wir nun zu beruflichen Fragen. Sie arbeiten nicht mit Kindern, oder?«, fragt Rowland seine Klienten und wendet einen Kniff, den er »die
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