Was der Hund sah
verschwindende Verneinung« nennt.
Nein.
»Nein, das dachte ich mir. Das passt nicht zu Ihnen.«
Und wenn der Klient bejaht, dann lässt sich die Frage auch genauso gut andersherum verstehen: »Sie arbeiten nicht mit Kindern, oder?«
Doch, halbtags.
» Ja, das dachte ich mir.«
Nach seiner Analyse des Dachkillerprofils spielte Alison eine Variante des Hellseherspiels. Er legte einer Gruppe von englischen Polizeibeamten und Forensikern eine Beschreibung des Verbrechens und des Verbrechers vor. Wie beurteilten sie das Profil des FBI? Äußerst exakt. Einer zweiten Gruppe von Beamten legte Alison dasselbe Verbrechen und dasselbe Profil vor, doch diesmal erfand er einen Verbrecher, der sich erheblich von Calabro unterschied. Der neue Mörder war 37 Jahre alt, Alkoholiker, hatte unlängst seinen Job bei den Wasserwerken verloren und hatte das Opfer zuvor mehrmals beim Zählerablesen gesehen. In früheren Beziehungen hatte er seine Freundinnen misshandelt und geschlagen, außerdem hatte er mehrere Vorstrafen wegen Einbruchdiebstahls. Inwieweit beschrieb das Profil des FBI diesen imaginären Mörder? Äußerst exakt, fanden die erfahrenen britischen Polizeibeamten. Genauso exakt wie den tatsächlichen Täter.
James Brussel erkannte den Mad Bomber nicht in dem Stapel von Berichten und Kopien, den ihm die Polizeibeamten brachten. Es handelte sich um reine Einbildung. Wie der Literaturwissenschaftler Donald Foster in seinem Buch Author Unknown (Autor Unbekannt) aus dem Jahr 2000 zeigt, hatte Brussel in seinen Memoiren seine Prognosen ein wenig geschönt. Tatsächlich hatte er der New Yorker Polizei gesagt, sie sollten den Täter in White Plains suchen und hatte sie auf eine Schnitzeljagd durch Westchester County geschickt. Brussel hatte den Täter außerdem als einen Mann mit einer Narbe im Gesicht beschrieben, die Metesky gar nicht hatte. Er hatte den Beamten gesagt, der Täter arbeite nachts, doch Metesky war seit seinem Ausscheiden bei Edison im Jahr 1931 die meiste Zeit über arbeitslos gewesen. Brussel hatte den Polizisten geraten, nach einem Mann im Alter von vierzig bis fünfzig zu fahnden, doch Metesky war über fünfzig. Nach seinem Steckbrief handelte es sich bei dem Täter um einen »Ingenieur aus dem zivilen oder militärischen Bereich«, doch außer einem kurzen Ausflug in eine Schlosserwerkstatt hatte Metesky keine Erfahrung auf diesem Gebiet vorzuweisen. Und entgegen seiner Darstellungen in seinen Memoiren hatte Brussel nie behauptet, der Bombenleger sei Slawe.
Vielmehr hatte er den Beamten gesagt, sie sollten nach jemandem suchen, der »in Deutschland geboren und aufgewachsen ist«. Mit dieser Vorhersage lag er so weit daneben, dass sich selbst der Mad Bomber genötigt fühlte, zu widersprechen. Als das New Yorker Magazin Journal American während der Ermittlungen anbot, jede Mitteilung des Mad Bomber abzudrucken, schrieb Metesky erbost: »Das Einzige, was ich mit Deutschland zu tun habe, ist die Tatsache, dass sich meine Eltern von Hamburg aus in die Vereinigten Staaten eingeschifft haben - vor 65 Jahren.«
Die Entdeckung des Mad Bomber war schließlich nicht Brussel zu verdanken, sondern einer Frau namens Alice Kelly, die abgestellt worden war, um die Personalakten von Edison zu durchsuchen. Im Januar 1957 stieß sie auf eine Beschwerde, die ein Angestellter Anfang der dreißiger Jahre eingereicht hatte. In der Fabrik von Hell Gate war einer der Arbeiter von einem heißen Gasstrahl getroffen worden. Er behauptete, er habe Verbrennungen erlitten, doch das Unternehmen bestritt dies. In den erbosten Briefen des ehemaligen Arbeiters entdeckte Kelly die Drohung, »selbst für Gerechtigkeit zu sorgen«, die auch in einem der Briefe des Mad Bombers auftauchte. Auf der Personalakte stand der Name George Metesky.
Brussel konnte sich nicht in den Mad Bomber hineinversetzen. Er schien nur eines verstanden zu haben: Wenn man möglichst viele Vorhersagen formuliert, werden die falschen vergessen, und die richtigen machen einen berühmt. Der Profiling-Krimi ist kein Triumph der forensischen Analyse. Er ist ein Partytrick.
6.
»So sehe ich diesen Typen«, sagt Douglas zu Beginn des Profiling- Meetings, das er in Der Profil des Mörders nachzeichnet. Wir schreiben das Jahr 1984. Der Mörder ist noch immer auf freiem Fuß. Douglas, Hazelwood und Walker sitzen mit den beiden Ermittlern aus Wichita an dem Eichentisch. Douglas zieht sich die Jacke aus und hängt sie über die Stuhllehne. »Als er 1974 angefangen hat,
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