Was der Hund sah
war er Mitte, Ende zwanzig. Heute, zehn Jahre später, ist er folglich Mitte, Ende dreißig.«
Jetzt ist Walker an der Reihe. BTK hatte nie Geschlechtsverkehr, er ist jemand mit einer »Geschichte der sexuellen Unreife«. Er ist ein »einsamer Wolf. Aber er ist kein Einzelgänger, weil ihn andere meiden, sondern weil er allein sein will. Er funktioniert in Gesellschaft, aber nur oberflächlich. Unter seinen Bekannten sind auch Frauen, mit denen er sich unterhält, doch sozial gleichgestellten Frauen fühlt er sich unterlegen.« Hazelwood meldet sich zu Wort. »BTK ist ein heftiger Masturbierer. Frauen, die mit ihm schlafen, beschreiben ihn als abweisend, unbeteiligt, einen Typ, der nur daran interessiert ist, dass sie seine sexuellen Bedürfnisse befriedigt.«
Douglas nimmt den Faden auf. »Die Frauen, mit denen er zusammen war, sind entweder sehr viel jünger und naiv oder sehr viel älter und dankbar für seine Zuwendungen«, meint er. Außerdem, so erklärten die Profiler des FBI, fahre BTK ein gutes, wenn auch unauffälliges Auto.
Nun hagelt es weitere Erkenntnisse. Douglas gesteht, dass er sich gefragt habe, ob BTK verheiratet sein könnte, aber nun neige er eher dazu, ihn als geschieden zu beschreiben. Er spekuliert, BTK könne aus der unteren Mittelschicht stammen und lebe vermutlich in einer Mietwohnung. Walker meint, BTK habe »einen schlecht bezahlten Angestelltenjob«. Hazelwood vermutet, er stamme aus der Mittelschicht und sei eloquent. Sie einigen sich darauf, dass sein Intelligenzquotient irgendwo zwischen 105 und 145 liegen muss. Douglas fragt sich, ob er eine Verbindung zum Militär gehabt haben könnte. Hazelwood beschreibt ihn als »Jetzt-Menschen«, der die »sofortige Befriedigung« brauche.
Walker meint, die Bekannten des Täters würden sagen, »dass sie sich an ihn erinnern, dass sie aber nichts über ihn wissen«. Plötzlich hat Douglas eine Eingebung - »es war ein Gefühl, ich wusste es einfach« - und sagt: »Es würde mich nicht wundern, wenn er bei seiner Arbeit eine Uniform trägt. Dieser Typ ist nicht durchgeknallt. Er ist toll wie ein Fuchs.«
Sie sitzen sechs Stunden lang zusammen. Die besten Köpfe des FBI liefern den beiden Kriminalbeamten aus Wichita die Blaupause für ihre Ermittlungen. Sucht nach einem Amerikaner mit einer möglichen Verbindung zum Militär. Er hat einen Intelligenzquotienten von 105 oder höher. Masturbiert gern und ist im Bett abweisend und egoistisch. Ein »Jetzt-Mensch«, nicht unbedingt selbstsicher im Umgang mit Frauen, aber mit vielen weiblichen Bekanntschaften. Einzelgänger, aber durchaus funktionierend in sozialen Umgebungen. Nicht durchgeknallt, eher toll wie ein Fuchs. Haben Sie mitgezählt? Eine Jacques-Feststellung, zwei Barnum-Sätze, vier Regenbogen, ein Tipp aufs Geratewohl, zwei Prognosen, die keine sind, weil sie nicht verifizierbar sind - und nichts, aber auch gar nichts, was auch nur annähernd darauf hindeuten würde, dass BTK im wirklichen Leben eine Säule der Gemeinschaft ist, der Gemeinderatsvorsitzende seiner Kirche und ein verheirateter Vater zweier Kinder.
»Dieser Fall ist lösbar«, sagt Douglas zu den Kriminalbeamten und zieht sich sein Jackett wieder an. »Sie können uns gern anrufen, wenn Sie weitere Hilfe benötigen.« Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er den beiden noch ein aufmunterndes Lächeln und ein Schulterklopfen mit auf den Weg gibt. »Ihr werdet den Kerl schon schnappen.« {**}
12. November 2007
Mythos Talent
Wird Intelligenz überbewertet?
1.
Auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms der neunziger Jahre startete McKinsey & Company, die größte und angesehenste Unternehmensberatung der Vereinigten Staaten, eine Kampagne mit dem Titel »War for Talent«. Man verschickte Tausende Fragebögen an Manager im ganzen Land. Achtzehn Konzerne wurden zu weiteren Untersuchungen ausgewählt, und die Berater verbrachten bis zu drei Tagen in jedem Unternehmen, um Gespräche mit Führungskräften vom CEO bis zu den Mitarbeitern der Personalabteilung zu führen. McKinsey wollte dokumentieren, wie sich die Einstellungs- und Beförderungspolitik der erfolgreichsten amerikanischen Unternehmen von der anderer Konzerne unterschied.
Doch bei der Auswertung der Berichte, Fragebögen und Gesprächsprotokolle drängte sich ihnen die Erkenntnis auf, dass der Unterschied zwischen den Besten und den Schlechtesten sehr viel grundsätzlicher war, als sie angenommen hatten. »Plötzlich ging uns ein Licht auf«, schreiben Ed Michaels,
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