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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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seiner Freizeit spielt er in einer Klezmer-Band mit dem Namen Charvard Chai Notes. Außerdem unterhält er sich häufig mit seinen Eltern. Seine Noten liegen zwischen B und B+.
    Während seines Abschlusssemesters verbrachte Myers viel Zeit mit Vorstellungsgesprächen bei Technologieunternehmen. Er sprach mit einem Unternehmen namens Trilogy in Texas, doch er meinte, dass er dort nicht hinpassen würde. »Ich habe in der Zeitung die Stellenanzeige einer Trilogy-Sektion gesehen. Die wollen die besten Hitech- Studenten und bieten 200 000 Dollar im Jahr und einen BMW«, erzählt er und schüttelt ungläubig den Kopf. In einem anderen Vorstellungsgespräch legte ihm der Personalreferent eine Programmieraufgabe vor; Myers machte einen dummen Fehler, und der Personalreferent warf ihm die Antwort über den Tisch zurück mit der Bemerkung, seine »Lösung« löse überhaupt nichts. Bei der Erinnerung wird Myers rot. »Ich war nervös. Ich hab gedacht, Mann, so ein Mist!« So wie er das sagt, habe ich jedoch meine Schwierigkeiten, ihm zu glauben, dass er wirklich nervös war. Myers sieht nicht aus wie jemand, der sich so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Er ist der Typ Junge, den man in der siebten Klasse am Abend vor der Matheprüfung anruft, wenn man nichts mehr versteht und sich langsam die Panik breitmacht.
    Ich mag Nolan Myers. Ich bin überzeugt, dass er erfolgreich sein wird, egal für welchen Arbeitgeber er sich schließlich entscheidet. Das sage ich, obwohl ich nicht mehr als neunzig Minuten mit ihm verbracht habe. Wir sind uns ein einziges Mal begegnet, an einem sonnigen Nachmittag in einem Cafe mit dem Namen Au Bon Pain am Harvard Square. Er trug Turnschuhe, Khakihosen und ein dunkelgrün gemustertes Polohemd. Er hatte einen riesigen Rucksack dabei, den er neben dem Tisch auf den Boden plumpsen ließ. Ich lud ihn zu einem Orangensaft ein. Er kramte einen Dollar aus seinem Geldbeutel, um mir das Geld für den Saft zu geben, aber ich lehnte ab. Wir saßen am Fenster. Vor dieser Begegnung hatten wir drei Minuten telefoniert, um uns für dieses Gespräch zu verabreden. Dann hatte ich ihm eine E-Mail geschickt und ihn gefragt, wie ich ihn im Au Bon Pain erkennen würde. Er hatte mir die folgende Antwort geschickt, von der ich - vollkommen grundlos - annahm, dass sie im typisch selbstbewussten Myers-Stil geschrieben ist: »22, ein Meter siebzig, glattes braunes Haar, sehr attraktiv :-)«. Ich habe mich weder mit seinem Vater, noch seiner Mutter, seinem jüngeren Bruder oder einem seiner Professoren unterhalten. Ich habe ihn nie begeistert, zornig oder traurig erlebt und weiß nichts über seine Angewohnheiten, Vorlieben oder Marotten. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum ich ihn sympathisch finde. Er ist attraktiv, intelligent, wortgewandt und witzig, aber auch nicht so attraktiv, intelligent, wortgewandt und witzig, dass das mein Urteil erklären würde. Ich mag ihn einfach, er macht einen guten Eindruck auf mich, und wenn ich ein Arbeitgeber wäre und aufgeweckte junge Universitätsabsolventen suchen würde, dann würde ich ihn ohne lange zu überlegen einstellen.
    Nolan Myers war mir von Hadi Partovi empfohlen worden, einem Manager von Tellme, einem viel gepriesenen Internet-Start-up aus Silicon Valley. Informatikstudenten vom MIT, aus Harvard, Stanford, Caltech oder von der University of Waterloo, die in diesem Frühjahr einen Job suchten, hatten Tellme vermutlich ganz oben auf ihrer Liste. Ich hatte Partovi in einem Konferenzraum von Tellme getroffen, direkt neben dem hohen, offenen Großraumbüro, in dem die Programmierer, Verkäufer und Manager sitzen. Einige haben ein Stockbett über ihrem Schreibtisch. (Tellme ist vor Kurzem in eine alte Druckerei umgezogen, ein flaches Gebäude mit einer riesigen Lagerhalle; getreu der Logik der New Economy machten sie die alten Büroräume prompt zum Lager und das alte Lager zum Büro.) Partovi ist ein gut aussehender 27-Jähriger mit olivfarbener Haut und kurzen, schwarzen Locken. Während unseres gesamten Gesprächs hatte er seinen Stuhl in einem gefährlichen 45 Grad-Winkel nach hinten gekippt. Am Ende eines langen Monologs über die Schwierigkeit, hochqualifizierte Mitarbeiter zu finden, nannte er mir einen Namen: Nolan Myers. Aus dem Gedächtnis gab er mir seine Telefonnummer. Er wollte unbedingt, dass Myers bei Tellme anfing.
    Partovi hatte Myers im Januar bei einer Jobbörse in Harvard kennen gelernt. »Es war ein schlimmer Tag«, erinnerte sich Partovi. »Ich bin

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