Was der Hund sah
kurz nach ihrer ersten Verabredung lud er sie zum Passah-Fest ein, um sie seiner Familie vorzustellen. Sie aßen Brathuhn, Tzimmes und Biskuit, und Polykoff verstand sich blendend mit Rabbi Halperin, einem herzlichen und lustigen Mann. Georges Mutter dagegen war eine andere Sache. Sie war orthodox und trug ihr Haar streng zurückgebunden; für ihren Sohn war ihr keine Frau gut genug.
»Wie war ich, George?«, fragte Shirley, kaum dass sie im Auto saßen, um Shirley nach Hause zu bringen. »Habe ich deiner Mutter gefallen?«
Er wich aus. »Meine Schwester Mildred findet dich klasse.« »Das freut mich, George«, antwortete sie. »Aber was hat deine Mutter gesagt?«
George schwieg eine Weile. »Sie sagt, dass du dir die Haare färbst.« Er schwieg wieder. »Stimmt das?«
Shirley Polykoff fühlte sich erniedrigt. Sie hörte, wie ihre Schwiegermutter in spe fragte: »Farbt sie de hor? Oder farbt sie nischt ?«
Die Antwort war natürlich ja. Shirley Polykoff hatte sich schon immer die Haare gefärbt, auch in jenen Tagen, da nur Broadway-Tänzerinnen und Prostituierte erblondeten. Mit fünfzehn war sie zu Mr. Nicholas gegangen, der eine Etage über der Wohnung ihrer Familie in Brooklyn seinen Schönheitssalon hatte, und hatte sich das Haar »aufhellen« lassen, bis nichts mehr an die Brünette erinnerte, die sie vorher gewesen war. Sie war der Ansicht, sie hätte als Blondine zur Welt kommen sollen und dass ihre Haarfarbe ihre Angelegenheit war, und nicht die Entscheidung Gottes.
Shirley kleidete sich in kräftigen Orange- und Rottönen, Cremebeige und königlichen Farben. Sie trug violettes Velours und tiefblaue Seide und war die Sorte Frau, die sich ein Haute-Couture-Jäckchen kaufte und es zuhause bestickte. Später, als sie schon ihre eigene Werbeagentur hatte, war sie einmal auf dem Weg nach Memphis zu einer Präsentation von Maybelline, als ihr Taxi auf der Autobahn liegen blieb. Sie sprang heraus und hielt einen Pepsi-Lieferwagen an; der Fahrer sagte ihr, er hätte sie mitgenommen, weil er noch nie jemanden gesehen hatte, der so aussah wie sie. »Shirley konnte sich drei verschiedene Outfits anziehen, alle gleichzeitig, und in jedem großartig aussehen«, erinnert sich Dick Huebner, ihr früherer Creative Director.
Sie war grell, sie war genial, sie war eitel, und das alles auf ihre eigene, unwiderstehliche Art. Und sie war überzeugt, dass keine dieser Eigenschaften mit braunem Haar zu vereinbaren waren. Die Person, zu der sie sich gemacht hatte, war einfach keine Brünette. Shirleys Eltern waren Hyman Polykoff, ein kleiner Krawattenhändler, und Rose Polykoff, Hausfrau und Mutter, die über die Ukraine nach East New York und Flatbush gekommen waren. Shirley lebte schließlich an der Park Avenue auf der Höhe der 82. Straße. »Wenn Sie meine Mutter gefragt hätten, ob sie stolz sei, Jüdin zu sein, dann hätte sie mit ja geantwortet«, meint Shirleys Tochter Alix Nelson Frick. »Sie hätte es nie geleugnet. Aber sie glaubte an ihren Traum, und dieser Traum war, sich mit den Insignien der Schönen und Reichen auszustaffieren, und dazu gehörte eine bestimmte Erziehung und ein bestimmter Look. Sie war der Ansicht, dass jeder das sein sollte, was er oder sie sein wollte, auch blond.«
Im Jahr 1956 war Shirley Polykoff Juniortexterin bei Foote, Cone & Belding und sollte Clairol betreuen. Das Produkt, das sie auf dem Markt bekannt machen sollte, war Miss Clairol, das erste Haarfärbebad, mit dem Frauen zu Hause ihr Haar aufhellen, färben, festigen und waschen konnten, und zwar in einem einzigen Schritt. Man konnte beispielsweise Topaz (ein Champagnerblond) oder Moon Gold (ein Mittelblond) in einer Wasserstofflösung direkt auftragen und war in zwanzig Minuten fertig. Als die Vertreter von Clairol das neue Produkt auf der International Beauty Show im alten Statler Hotel gegenüber des Madison Square Garden vorführten, drängten sich Tausende Kosmetikerinnen und verfolgten staunend und mit offenen Mündern eine Vorführung nach der anderen. »Sie waren völlig baff«, erinnert sich Bruce Gelb, der lange Zeit neben seinem Vater Lawrence und seinem Bruder Richard Chef von Clairol war. »Miss Clairol war für die Haarwelt, was der Computer für die Welt der Buchhalter war. Die Vertreter mussten eimerweise Wasser anschleppen und die Haare vor dem Publikum ausspülen, weil die Friseusen im Publikum glaubten, sie würden hinter der Bühne irgendwas mit den Models anstellen.«
Miss Clairol versetzte amerikanische
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