Was der Hund sah
konzentriert ist, dann lässt es sich lösen. Die schlechte Nachricht ist, dass diese wenigen schweren Fälle wirklich schwer sind. Es handelt sich um schwere Alkoholiker mit Lebererkrankungen, Mehrfachinfektionen und geistigen Behinderungen. Ihre Behandlung nimmt viel Zeit, Pflege und Geld in Anspruch. Doch die dauerhaft Obdachlosen kosten heute schon enorme Summen, und Culhane erkannte, dass es vermutlich billiger käme, das Problem zu lösen, als es zu ignorieren. Murray Barr verursachte dem staatlichen Gesundheitssystem schließlich mehr Kosten als jeder andere Patient von Nevada. Es wäre billiger, ihm eine Wohnung und eine eigene Pflegekraft zu finanzieren.
Einer der prominentesten Vertreter der Exponentialtheorie der Obdachlosigkeit ist Philip Mangano, der im Jahr 2002 von Präsident Bush zum Leiter des Obdachlosenrats ernannt wurde. Seine Organisation koordiniert die Programme von zwanzig verschiedenen Regierungsstellen. Mangano ist ein schlanker Mann mit einer weißen Mähne und einer charismatischen Ausstrahlung, der seine Laufbahn in einer Obdachlosenorganisation in Massachusetts begann. Er ist dauernd unterwegs und reist kreuz und quer durch die ganzen Vereinigten Staaten, um Bürgermeistern und Stadträten die tatsächliche Verteilung der Obdachlosigkeit zu erläutern. Seiner Ansicht nach hat die Einrichtung von Suppenküchen und Notunterkünften nur zur Folge, dass die dauerhaft Obdachlosen dauerhaft obdachlos bleiben.
Suppenküchen und Notunterkünfte sind nur dann sinnvoll, wenn das Problem eine breite Mitte betrifft und unlösbar erscheint. Aber wenn das Problem nur einen kleinen Rand betrifft, ist es lösbar. Bislang hat Mangano mehr als zweihundert Städte dazu gebracht, ihren Umgang mit der Obdachlosigkeit radikal zu überdenken.
»Ich habe mich neulich in St. Louis mit Sozialarbeitern unterhalten«, erzählt er. »Sie hatten da eine schwierige Gruppe von Leuten, die sie einfach nicht erreichen konnten, egal was sie ihnen angeboten haben. Also habe ich gesagt: ›Nehmt einen Teil von eurem Geld, mietet ein paar Wohnungen, drückt diesen Leuten buchstäblich die Schlüssel in die Hand und sagt ihnen, wenn du jetzt mitkommst, dann gebe ich dir diesen Schlüssel, und die Wohnung gehört dir.‹ Das haben sie dann auch gemacht. Einer nach dem anderen sind diese Leute gekommen. Wir wollen mit der alten Obdachlosenpolitik aufhören, die nur endlos für die Notversorgung der Obdachlosen zahlt, und stattdessen in eine Politik investieren, die die Obdachlosigkeit beseitigt.«
Mangano interessiert sich für Geschichte. Manchmal schläft er abends über Aufzeichnungen von Malcolm-X-Reden ein. In seinen Vorträgen verweist er gern auf die Bürgerrechtsbewegung, die Berliner Mauer und vor allem die Sklavenbefreiung. »Nach meiner Überzeugung verwaltet man soziale Missstände nicht«, sagt er. »Man schafft sie ab.«
3.
Das alte YMCA-Gebäude in der Innenstadt von Denver liegt an der 16. Straße, östlich des Zentrums. Das stattliche sechsstöckige Hauptgebäude wurde 1906 errichtet, und der Anbau stammt aus den fünfziger Jahren. Im Erdgeschoss ist ein Fitnessstudio untergebracht, und in den übrigen Stockwerken befinden sich Hunderte Mini-Apartments, freundlich gestrichene Ein-Zimmer-Wohnungen mit Mikrowelle, Kühlschrank und Klimaanlage. Seit einigen Jahren werden diese Wohnungen von der Obdachlosenstelle der Stadt angemietet.
Selbst im Vergleich zu anderen Großstädten hat Denver ein großes Obdachlosenproblem. Da die Winter verhältnismäßig mild und die Sommer nicht annähernd so heiß sind wie im benachbarten New Mexico oder Utah, ist die Stadt ein Anziehungspunkt für Menschen ohne festen Wohnsitz. Die Stadtverwaltung schätzt die Zahl der dauerhaft Obdachlosen auf rund 1 000, von denen sich etwa 300 in der Innenstadt entlang der Einkaufsstraßen oder im Stadtpark aufhalten. Viele der Einzelhändler in der Innenstadt machen sich Sorgen, die Obdachlosen könnten ihre Kunden verschrecken. Einige Straßenzüge weiter nördlich, in der Nähe des Krankenhauses, befindet sich ein Entgiftungszentrum, das pro Jahr 28 000 Personen behandelt, darunter zahlreiche Obdachlose, die auf der Straße zusammenbrechen. »Viele trinken keinen Alkohol, sondern Mundwasser«, erklärt Roxane White, Leiterin des Sozialamtes der Stadt. »Sie können sich vorstellen, was das mit Ihrem Magen macht.«
Vor achtzehn Monaten trat die Stadt Manganos Programm bei. Mit einer Mischung aus staatlichen und städtischen Geldern
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