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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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kaputt geht. Das ist genau wie beim Menschen. Die Elektronik funktioniert nicht mehr, die Einspritzung ist defekt, der Katalysator hat den Geist aufgegeben. Diese Schäden führen oft zu einem höheren Schadstoffausstoß. Wir haben einen Wagen in unserer Datenbank, der pro Kilometer 70 Gramm Kohlenwasserstoff ausstößt - allein mit den Abgasen dieses Autos könnte man schon fast einen Kleinwagen fahren. Aber es sind nicht nur alte Autos. Auch Autos mit hohen Kilometerzahlen sind betroffen, zum Beispiel Taxis. Eine der erfolgreichsten und am wenigsten beachteten Kontrollen hat in den neunziger Jahren der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles durchgeführt. Er hat die Taxizentrale besucht und festgestellt, dass alle Taxis schlechte Abgaswerte hatten. Eines der Taxis hat im Jahr sein Eigengewicht an Schadstoffen ausgestoßen.«
    Stedman hält die gängigen Abgasuntersuchungen für wenig sinnvoll. Jahr für Jahr müssen eine Million Autofahrer im Raum Denver zur Kontrolle. Sie müssen sich frei nehmen, Schlange stehen, und 15 oder 25 Dollar zahlen, um einen Test durchzuführen, den 90 Prozent gar nicht benötigen. »Wir lassen ja auch nicht die ganze Bevölkerung eine Krebsvorsorge oder einen AIDS-Test machen«, meint Stedman. Dazu kommt, dass die Prüfstellen die wenigen Ausreißer oft gar nicht entdecken. Es gibt Autonarren mit getunten und stark umweltbelastenden Sportwagen, die am Tag des Tests mal eben einen anderen Motor einbauen. Andere melden ihr Auto in einer Kleinstadt der Umgebung an, wo es keine Abgastests gibt, oder sie preschen mit ihrem Wagen über die Autobahn und kommen mit heißem Motor an die Prüfstelle, was die Abgaswerte erheblich senkt. Wieder andere rutschen einfach mit Glück durch den Test, weil schmutzige Motoren extreme Schwankungen aufweisen und vorübergehend sauber brennen können. Es gibt keinen Hinweis, so Stedman, dass die Abgasuntersuchungen der Stadt einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisteten.
    Deshalb schlägt er stattdessen mobile Tests vor. Anfang der achtziger Jahre erfand er ein Gerät von der Größe eines Koffers, das mit Infrarotlicht die Emissionswerte eines vorüberfahrenden Autos misst. Das Schild am Speer Boulevard ist an eines dieser Geräte angeschlossen. Stedman meint, jede Stadt sollte ein halbes Dutzend Polizeifahrzeuge mit diesem Gerät ausrüsten, sie an stark befahrenen Straßen parken und jedes Auto herauswinken, das zu hohe Werte aufweist. Mit sechs Geräten könnten am Tag rund 30 000 Fahrzeuge überprüft werden. In einem Jahr könne Denver 25 000 Autos mit extrem hohen Abgaswerten aus dem Verkehr ziehen, schätzt Stedman, und in wenigen Jahren die verkehrsbedingte Schadstoffbelastung um 30 bis 40 Prozent reduzieren. So bekäme die Stadt ihr Smog-Problem in den Griff.
    Warum wenden wir also nicht einfach die Stedman-Methode an? Wir sind schließlich daran gewöhnt, dass uns die Polizei wegen eines defekten Scheinwerfers oder eines abgebrochenen Außenspiegels anhält, und es wäre doch sicher kein Problem, Abgasverstöße in die Liste mit aufzunehmen. Doch es widerspricht unserem Bauchgefühl, laut dem es sich bei der Luftverschmutzung um ein gesellschaftliches Problem handelt, für das wir alle gleichermaßen verantwortlich sind. Unsere demokratischen Institutionen gehen schnell und entschieden gegen gesellschaftliche Probleme vor. Das Parlament verabschiedet ein Gesetz. Die Umweltbehörden erlassen Bestimmungen. Die Autoindustrie baut bessere Autos, und schon ist die Luft ein bisschen sauberer. Doch Stedman interessiert sich nicht für das, was in Washington und Detroit passiert. Der Grund für die Luftverschmutzung ist nicht, dass es keine Gesetze gibt, sondern dass sie nicht eingehalten werden. Es ist kein politisches, sondern ein polizeiliches Problem. Doch Stedmans Lösung hat etwas zutiefst Unbefriedigendes. Er will dem Smog mit einem halben Dutzend Geräten von der Größe eines Koffers zu Leibe rücken. Aber wie sollte ein derart großes Problem eine derart einfache Lösung haben?
    Aus demselben Grund waren auch die Erkenntnisse der Christopher Commisson so unbefriedigend. Wir berufen runde Tische ein, wenn wir das Gefühl haben, dass die Probleme zu groß sind für normale bürokratische Korrekturen. Wir rufen nach umfassenden Reformen. Doch zu welchem Ergebnis kam die Kommission? Der schuldige Beamte hatte eine dicke Personalakte mit Beschwerden, weil er mit Handschellen gefesselte Verdächtige geschlagen hatte, doch sein Vorgesetzter

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