Was der Nachtwind verspricht
dass er das mit Absicht tat, weil er wollte, dass sie ihn hasste .
Aber es war nicht alles Lüge. Was er über ihre zukünftige Ehe gesagt hatte, war zweifellos die Wahrheit gewesen. Wie Nina gesagt hatte, waren fast alle Ehen unter Adligen so, obwohl die Bedingungen in der Regel nicht so deutlich festgelegt waren, sondern eher stillschweigend befolgt wurden. Und jedes Mal , wenn er sie bedrängt hatte, ihre Verlobung zu lösen, hatte er seine wahren Gefühle gezeigt. Und seine ausschweifenden Neigungen hatten sich ebenfalls als wahr erwiesen.
Als sie den Palast verließ, machte sie jedoch kurz halt beim Übungsplatz. Sie hatte nicht widerstehen können und sah jetzt, wie Wassili innerhalb von wenigen Minuten einen Gegner nach dem anderen mit seinem Schwert besiegte. Und sie hatte ihn für einen Hofdandy gehalten. Sie hätte es doch sehen, sie hätte die Zeichen erkennen müssen, die ihr sagten, dass er nicht war, wofür sie ihn hielt: seine militärische Haltung, die Art, wie er ein Pferd ritt, seine schnellen Reflexe, die Leichtigkeit, mit der er den Kampf mit Pawel beendet hatte, als er dessen überdrüssig war, selbst die Tatsache, dass er auf Schwerter als Waffen verzichtet hatte, wohl wissend, dass Pawel andernfalls keine Chance gegen ihn gehabt hätte. Sie hatte nur gesehen, was sie hatte sehen wollen, weil sie nicht von ihm beeindruckt werden wollte.
Sie wünschte, die Königin hätte ihr nicht die Wahrheit über Wassili gesagt. Auf dem Weg zum Haus der Petroffs muss te sie daran denken, was sie beim Abschied von der Königin gesagt hatte.
»Ich würde mich freuen, wenn Ihr eine meiner Hofdamen werdet«, hatte die Königin zu ihr gesagt.
»Ich danke Euch für das Angebot, aber ich kann es nicht annehmen. Schließlich muss ich bei Wassili ja einen bestimmten Eindruck erwecken, und der ist nicht gerade damenhaft.«
Tania hatte die Stirn gerunzelt. »Dann werdet Ihr ihm also nicht die Wahrheit sagen?«
»Ich sehe keinen Anlass dazu. Es würde nur zu einem Riesenstreit führen. Er wäre wütend auf mich, und dann würde ich ihm an den Kopf werfen, dass auch er nicht ehrlich zu mir war. Und wir wären immer noch genau da, wo wir jetzt sind: Keiner von uns beiden will den anderen heiraten.«
Die Königin war nicht sehr glücklich über ihren Entschluss gewesen, aber Alexandra würde sich nicht davon abbringen lassen. Und genauso wenig würde sie jetzt anfangen, sich eingehender mit ihren Gefühlen zu befassen. Was sie für Wassili empfand, spielte keine Rolle, da er sie ja immer noch nicht heiraten wollte. Ihr fiel ein, dass es noch etwas gab, womit sie ihm und sich helfen konnte, die herannahende Hochzeit zu verhindern. Sie konnte den Unterricht seiner Mutter boykottieren.
Maria war ihretwegen bereits ungehalten. >Entsetzt< war wohl eher das richtige Wort. Niemand anderes als seine Mutter hatte Wassili gesagt, dass er sich den Wünschen seines Vaters nicht widersetzen könne. Das hatte er auch als Grund angeführt, weshalb er die Verlobung nicht auflösen konnte. Aber wenn Maria ihre Meinung änderte ...
Wassili hatte schon wieder eine Nachricht von seiner Mutter erhalten. Er ignorierte sie anderthalb Tage lang, aber immer wieder kamen Marias Boten in sein Haus. Schließlich wurde einer in den Palast geschickt, der ihn in Stefans Gegenwart antraf. Stefan sagte: »Ich hoffe, sie bittet mich nicht wieder um meine Mithilfe«, und riet ihm, sich darum zu kümmern, bevor sie sich tatsächlich wieder an ihn wenden würde.
Aber dieses Mal wusste er, was die Gräfin von ihm wollte. Nachdem ihn vor zwei Wochen die ersten Briefe seiner Mutter erreicht hatten, in denen sie sich beklagte - »Das Mädchen ist unmöglich« und »Du muss t mit ihr reden« -, hatte er sich erst gar nicht die Mühe gemacht, die anderen Botschaften zu lesen, die sie ihm fast täglich geschickt hatte. Er hatte lediglich ein paar aufmunternde Zeilen auf das Papier geworfen (»Du schaffst das schon, Mutter ... Ich zähle auf Dich, Mutter«). Einmal - immer noch, ohne die Nachricht gelesen zu haben, einfach deshalb, weil er Alexandra kannte und ihn das Ganze allmählich amüsierte - hatte er ihr geraten: »Ignoriere ihre Wutanfälle, es ist fast immer heiße Luft«.
Es überraschte ihn jedoch, dass er keinerlei Klagen von Alexandra hörte. Unter anderem, weil er damit gerechnet hatte, hatte er beschlossen, erst dann wieder in ihre Nähe zu kommen, wenn die Verwandlung abgeschlossen war - oder gescheitert. Wenn er wieder einen ihrer
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