Was der Nachtwind verspricht
war erleichtert, dass sie ihm zuvorgekommen war. Er war es nicht.
»Soll ich etwa auch vergessen, dass du noch Jungfrau warst?« fragte er.
»Ja.«
Das war völlig unmöglich. »Warum zum Teufel hast du es mir nicht gesagt, Alexandra? Was auch immer du von mir hältst, für gewöhnlich gehe ich nicht mit Jungfrauen ins Bett. Wenn du es genau wissen willst - ich habe es noch nie getan, und es ist mir ausgesprochen unangenehm, dass es mit dir das erste Mal passiert ist.«
Er sagte das so entrüstet, dass sie beinahe gelacht hätte. Es überraschte sie, dass er sich deswegen Gedanken machte, aber sie wünschte, er würde es nicht tun. Warum zum Teufel fragte er sie überhaupt?
»Warum ich es dir nicht gesagt habe? Warum sollte ich?« entgegnete sie. »Wieso bist du vom Gegenteil ausgegangen? Ich war doch noch nie verheiratet.«
»Du bist Russin«, sagte er, ohne zu überlegen. Sofort erkannte er seinen Fehler. Damit lieferte er ihr einen Grund, ihn über den Haufen zu schießen. Schnell fügte er hinzu: »Ich will damit sagen, dass ich am russischen Hof gewesen bin. Ich habe dort mit eigenen Augen gesehen, wie hemmungslos die russischen Damen sind, auch die unverheirateten. Wenn es dort noch irgendwo eine Jungfrau gab, war sie jedenfalls gut getarnt.«
»Oder sie wurde aus naheliegenden Gründen vor dir versteckt«, entgegnete sie trocken.
Alexandra wäre gerne entrüstet gewesen, aber auch sie war bei Hofe gewesen und wusste , wie ausschweifend und lasterhaft einige der Adligen dort waren. So wie er. Er muss te sich dort wie zu Hause gefühlt haben.
»Und da ich dich an diese Damen bei Hofe erinnert habe«, fuhr sie in dem gleichen trockenen Ton fort, »hast du das auch von mir angenommen.«
Selbst in dem dämmrigen Licht konnte sie sehen, wie sich seine Wangen röteten, als er seinen Fehler erkannte. Es war so offensichtlich, dass jeder Dummkopf es erkannt hätte. Sie war zwar eine Baronesse, aber wann hatte sie sich je wie eine Dame benommen oder wie eine ausgesehen?
Er entschuldigte sich jedoch nicht. Sie wäre erstaunt gewesen, wenn er es getan hätte.
»Soweit ich mich erinnern kann«, sagte er, »hattest du Gelegenheit, diesen Eindruck zu korrigieren.«
Sie wusste , was er meinte. Er hatte sie gefragt, was ein Liebhaber mehr ausmachen würde, da sie doch schon so viele gehabt habe. Sie erinnerte sich auch daran, warum sie ihm damals nicht widersprochen hatte. Sie hatte gewollt, dass er einen möglichst schlechten Eindruck von ihr bekam, und dieser Punkt war nur einer von vielen auf ihrer Liste gewesen. Und das wollte er ihr jetzt vorwerfen? Aber sie wollte nicht, dass er annahm, wenn er sich in einem Punkt geirrt hatte, konnte er sich vielleicht auch noch in anderen Punkten geirrt haben.
Also sagte sie mit gleichgültiger Stimme: »Warum hätte ich dich korrigieren sollen? Es ist mir völlig egal, was du von mir denkst.« Um ganz sicherzugehen und ihm die Schuld an der ganzen Sache zu geben, log sie auch noch: »Ich konnte doch nicht wissen, dass du diesen Unsinn über meine angeblichen Liebhaber wirklich geglaubt hast.«
Sie hätte auch gleich sagen können, dass niemand so dumm sein könne. Und genauso kam er sich jetzt vor. Er hatte sich eine Meinung über sie gebildet, bevor er sie kennengelernt hatte, und dann vergessen, sie zu ändern, nachdem er Alexandra begegnet war. Jetzt stimmte sein erster Eindruck allerdings wieder. Daran war er schuld. Und das gefiel ihm immer noch nicht.
Aber sie gab ihm keine Gelegenheit, sein Missfallen zu äußern, sondern griff ihn gleich wieder an. »Was ich dich schon immer fragen wollte, Petroff, was machst du eigentlich noch - außer Frauen verführen?«
Die Tatsache, dass sie eine so geringe Meinung von ihm hatte, hätte ihn eigentlich freuen sollen. Warum wollte er ihr dann widersprechen und sich verteidigen? Er würde es nicht tun. Er würde sich ihre eigene Logik zunutze machen. Schließlich war es ihm egal, was sie von ihm dachte.
Also entgegnete er, statt ihre Frage zu beantworten: »Sie machen mir das Angebot, ihr Bett mit ihnen zu teilen, ohne dass ich sie darum bitte. Übrigens, warum hast du mir eigentlich ein solches Angebot gemacht?«
»Bestimmt nicht aus dem Grund, an den du gerade denkst, du eingebildeter Lackaffe«, entgegnete sie.
Er hielt es für ein gutes Zeichen, dass sie ihn beschimpfte, obwohl ihm >Lackaffe< genauso wenig gefiel wie Tanias >Pfau<. Aber wenn sie ihm keine Antwort geben wollte, gab es immer noch seine Antwort. Er
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