Was der Winter verschwieg (German Edition)
den Alarm ausgelöst hatte. Ihren aufgeregten Gesprächen entnahm Sophie, dass es der Plan der Gangster gewesen war, sich in dem Gebäude zu verbarrikadieren und die Rückgabe ihres beschlagnahmten Vermögens sowie freie Abreise nach Afrika zu verlangen. „Wir gehen mit nichts,
nichts“
, meckerte jemand mit einer nasalen Stimme.
„Du kommst mit dem Leben davon“, fuhr ihn der Fahrer an.
„Und mit einer Lebensversicherung“, warf ein anderer ein.
Zu ihrem Entsetzen spürte Sophie eine Berührung am Nacken, die ihr die Haare zu Berge stehen ließ. Sie zog die Schultern hoch und beugte sich vor, um sich der Hand zu entziehen, was einige der Männer nervös auflachen ließ. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wozu ihre Entführer in der Lage waren, aber dennoch stiegen vor ihrem inneren Auge Bilder von Folter, Vergewaltigung und Mord auf. Zwei Jahre hatte sie damit verbracht, auf solchen Verbrechen einen Fall aufzubauen, doch bis zu diesem Augenblick waren das für sie nur bloße Fakten gewesen. Jetzt waren sie mit einmal sehr, sehr real.
Der Holländer lenkte den Wagen, nahm die Kurven bei dem Schnee viel zu schnell und fuhr Richtung Hafen. Das Fahrzeug raste die Straße entlang des Verversingskanaals hinunter, der in den Voorhaven floss, einen mit einer Schleuse versehenen Zugang zur Nordsee.
Eine Brücke erhob sich in hohem Bogen über der Schleuse. Schnee flog gegen die Windschutzscheibe. Die Reifen rutschten und drehten auf dem glatten Untergrund immer wieder durch. Auf der Brücke befand sich nicht ein einziges Fahrzeug. Die bernsteinfarbenen Straßenlaternen warfen ihr Licht auf die leere Fahrbahn und verwandelten den Schnee in pures Gold.
Plötzlich ertönte eine Stimme aus dem hinteren Teil des Lieferwagens: „Da ist ein Hubschrauber. Wir werden verfolgt.“
„Keine Sorge“, entgegnete der Holländer und beschleunigte auf 130 Kilometer pro Stunde. „Ich habe Instruktionen hinterlassen.“
Jetzt wusste Sophie, was es mit dem Austausch zwischen dem Holländer und dem Attaché auf sich gehabt hatte. Sie hatten gedroht, ihre Geisel zu töten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Ihr war jetzt auch klar, dass sie früher oder später sowieso getötet würde. Warum sollte sie ihnen also eine Chance lassen? Sie hatte ihr ganzes Leben lang versucht, das Richtige zu tun, und doch waren so viele Dinge immer wieder schiefgelaufen.
Ihre Hand schien zu jemand anderem zu gehören, als sie mit einer Schnelligkeit und Kraft hervorschnellte, von der Sophie nicht geahnt hatte, dass sie dazu in der Lage wäre. Sie packte das Lenkrad und riss es scharf zu sich herum.
Der Holländer fluchte und versuchte, die Kontrolle über den Lieferwagen zurückzugewinnen. Die Brücke war jedoch zu glatt und die Leitplanke zu schwach, um den Van davor zu bewahren, von der Brücke zu rutschen und ins tintenschwarze Wasser zu stürzen.
3. TEIL
St. Croix, Amerikanische Jungferninseln
DREIKÖNIGSTAG
Der Dreikönigstag – oder Epiphanias – ist der Höhepunkt eines einmonatigen Fests auf St. Croix, einer Karibikinsel, die für Zucker, Sirup und ihren Rum berühmt ist. Der Hochzeitsfrüchtekuchen ist so fest und reich im Geschmack, dass davon nur kleine Stücke als Erinnerung an das Ereignis serviert werden.
Hochzeitsfrüchtekuchen
Fünf Pfund gemischter Früchte (Johannisbeeren, Rosinen, Datteln, Feigen, Pflaumen) in eine große Schüssel füllen und gut drei Gläser Rum dazugeben, sodass die Früchte schön bedeckt sind. Mindestens zwei Tage, gern auch eine Woche, an einem kühlen Ort ziehen lassen.
Für den Kuchen brauchen Sie die gezogenen Früchte sowie:
300 g Mehl
6 Eier
1 ½ TL Backpulver
1 Pfund braunen Zucker
1 TL Zimt
1 TL Vanille
310 ml Zuckerrübensirup
½ Pfund Butter (Zimmertemperatur)
Die Butter in einer großen Schüssel schaumig schlagen. Zucker, Zimt, Vanille und Sirup dazugeben. Die Eier eines nach dem anderen unterrühren. Mehl und Backpulver zugeben, gut verrühren, dann die Früchte untermischen.
Teig in zwei oder drei gut gefettete Kastenformen füllen und bei 175 °C ungefähr eine Stunde backen.
6. KAPITEL
St. Croix, Amerikanische Jungferninseln
6. Januar – Epiphanias
M ax Bellamy konnte Hochzeiten nicht ausstehen. In seiner Familie schienen sie allerdings genauso regelmäßig stattzufinden, wie man sich eine Grippe einfing. Und da er noch ein Kind war, durfte er auf der Einladungskarte leider nie das Feld „Tut mir leid, ich bin leider verhindert“ ankreuzen und zu
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