Was der Winter verschwieg (German Edition)
Geringsten müde.
Noah hielt sie so, dass sie ihre Wange an seine Brust legen konnte. Sie hörte sein Herz schlagen. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, erklärte er.
Sophie lächelte. „Die Erfahrung hat mich vollkommen verändert. Sie ist der einzige Grund, warum ich meine Karriere am Internationalen Strafgerichtshof aufgegeben habe und zu meinen Kindern gezogen bin.“
„Das kann ich dir nicht verdenken. Ich hätte genauso gehandelt.“
Sie zog ihn enger an sich. „Ich wünschte, einer meiner Kollegen in Den Haag hätte das gesagt. Ich habe mich deswegen so zerrissen gefühlt.“
„Du brauchst ein Glas Wein“, stellte er fest.
„Vielleicht sogar die ganze Flasche.“
Während er in die Küche ging, schaltete sie den Fernseher ein und blieb an einem herzerweichenden Infospot über Waisenkinder in Bolivien hängen. Obwohl sie sich eigentlich nicht für jemanden hielt, der sich von solch einer Werbung einfangen ließ, ertappte sie sich dabei, nach dem Kugelschreiber auf dem Couchtisch zu greifen. Sie fand kein Papier, also schrieb sie sich die Nummer der kostenlosen Hotline auf den Handrücken. Für den Preis von einer Tasse Kaffee täglich könnte sie den kleinen Matteo vor dem Hungertod bewahren. Was sie jedoch eigentlich tun wollte, war, ihn in die Arme zu schließen, so wie sie es mit Charlie tat, und ihn vor der Welt zu beschützen.
Sie stellte den Ton ab, doch es war zu spät. Das schlechte Gewissen meldete sich, was ihr sehr deutlich anzusehen war.
„Was ist los?“ Noah kam mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern in der Hand ins Zimmer.
„Ich sitz hier rum, hab’s warm und gemütlich, während auf der ganzen Welt Kinder leiden. Ich sollte etwas dagegen unternehmen …“
„Das hast du doch schon. Du hast dein ganzes Berufsleben damit zugebracht, etwas dagegen zu unternehmen.“
„Aber ich könnte mehr machen.“
„Auch das tust du. Du unterstützt Max und Daisy und hilfst bei Charlies Erziehung. Du bringst ihnen bei, so wie du zu sein – leidenschaftlich, hingebungsvoll. Und ich denke, eines Tages werden auch sie ihren Beitrag in der Welt leisten.“ Er reichte ihr ein Glas Wein. „So verändert man die Welt, Sophie. Ein Mensch alleine kann es nicht schaffen. Glaub mir.“
Er hatte eine Art, die Dinge zu sehen, die Sophie erstaunlich vernünftig erschien. Sie konnte ihre Vergangenheit nicht ändern. Was geschehen war, war geschehen. Aber sie konnte
sich
ändern. Sie hatte sich in die Idee verrannt, jedes Problem und Thema direkt angehen zu müssen. Und nun erzählte Noah ihr, dass sie etwas bewirken konnte, indem sie einfach eine gute Mutter war. Niemand hatte ihr je zuvor erklärt, dass Kindererziehung der wichtigste Job auf der Welt war.
Langsam stellte sie ihr Glas ab und schlang Noah die Arme um den Hals. „Noah, ich liebe es, wie du denkst und was du sagst.“ Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute ihn an. „Ich liebe dich.“
„Verdammt. Das meinst du ernst, oder?“
„Ja, das tue ich. Es tut mir leid, aber das musste mal gesagt werden.“
„Es tut dir leid?“ Er lachte. „Es tut ihr leid.“
„Und es tut mir noch viel mehr leid, dass ich es dir nicht schon früher gesagt habe.“
„Das ist schon in Ordnung. So habe ich etwas, das ich dir immer vorhalten kann. Ich hab’s zuerst gesagt.“
Immer.
Er schien kein Problem damit zu haben, davon auszugehen, dass es zwischen ihnen ein
immer
gäbe. Als er sie näher an sich zog und küsste, wie um ein Versprechen zu besiegeln, wollte sie nichts mehr, als dass er recht behielt. Dieser Wunsch erstaunte sie. Noch verwunderter war sie nur darüber, dass sie es nicht nur wollte, sondern es sogar für realistisch hielt.
Noah zog sich ein wenig zurück und lächelte sie an. „Und ich dachte immer, du wolltest mich nur fürs Bett.“
„Ist an Sex irgendetwas falsch?“
„Guter Gott, nein. Ganz im Gegenteil. Der Sex mit dir ist unglaublich.“
So etwas hatte noch nie zuvor jemand zu ihr gesagt. Vielleicht deshalb, weil noch nie jemand dieser Meinung gewesen war.
Noah schaltete den Fernseher aus und schlang die Arme um Sophie. Dieser Abend hatte ein neues Feuer zwischen ihnen entfacht. Sie spürte ein nie gekanntes, gegenseitiges Vertrauen … und vollkommene Hingabe. Mit einem Herzen voller Liebe hatte sie an Noahs Seite endlich ihren Platz gefunden.
28. KAPITEL
C helsea, das Mädchen, das in derselben Straße wohnte wie Max’ Mom, reichte Max ihr Handy. „Danke fürs Ausleihen. Meine Großeltern
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