Was der Winter verschwieg (German Edition)
fliege nächsten Monat hin.“
Sie berührte die Medaille, die um ihren Hals hing. „Das klingt verlockend, aber ich werde hier gebraucht. Es fühlt sich seltsam an, das zu sagen, aber es stimmt.“
27. KAPITEL
N ach dem Abendessen saß Sophie in Noahs Wohnzimmer und versuchte, eine gewisse Toleranz für die erleuchtete Bieruhr an der Wand über dem Kamin aufzubringen. Noah hatte versprochen, dass er sich einen Film ihres Geschmacks mit ihr anschauen würde – dieses Wochenende wurde in Kingston eine Fellini-Retrospektive gezeigt –, und vielleicht sollte sie im Gegenzug versuchen, seine Uhr zu mögen. Es gab sehr viel, was sie an ihm mochte, einschließlich seines Beharrens, das Geschirr selbst abzuwaschen, was er in diesem Moment gerade tat.
Wie schnell sich zwischen uns eine gewisse Routine eingestellt hat, überlegte sie. An den meisten Abenden aßen sie zusammen. Sie tasteten sich an den Musikgeschmack des jeweils anderen heran – seiner war ganz anders als ihrer, aber langsam fing sie an, die Lieder von Bands mit Namen wie Bad Pennies und Mastodon zu mögen. Gemeinsam gingen sie mit den Hunden joggen, und ab und zu ritten sie zusammen aus. Kurz gesagt, sie lernten, ihre Leben miteinander zu teilen.
Immer öfter bedauerte Sophie ihren Entschluss, umzuziehen. Es war schön, Noah so nah bei sich zu haben. Es war …
gezellig
.
Vorsichtig stieg sie über den schlafenden Welpen hinweg, der in Noahs Haus immer willkommen war, und richtete den Stapel Science-Fiction-Romane, der auf dem Couchtisch lag. Noah war ein Fan von Ben Bova, Theodore Sturgeon und Philip José Farmer. Zufällig stieß sie dabei auf einen mehrseitigen Ausdruck aus dem Internet-Artikel von Brooks Fordham. Sie erschauerte. Warum las Noah die Artikel von Brooks?
Sie hörte ihn kommen und versteckte die Ausdrucke schnell unter den Büchern. Dabei entdeckte sie ein altes Telefonbuch, das schon drei Jahre zuvor nicht mehr aktuell gewesen war. Als Noah das Wohnzimmer betrat, hätte sie ihn beinahe wegen der Unordnung gescholten. Stattdessen schlug sie jedoch das Telefonbuch auf. „Adams, Anna“, las sie laut vor. „647 Mill Street, 372-3858. Ammon, Bradley, 74 South Maple …“
„Was tust du da?“, fragte Noah.
„Ich lese das Telefonbuch. Du hast mal gesagt, du würdest gerne hören, wie ich dir das Telefonbuch vorlese.“
„Nackt“, sagte er. „Ich meinte, du solltest es mir
nackt
vorlesen.“
„Das hast du aber nicht gesagt.“
„Dann sage ich es jetzt.“ Er packte sie und fing an, ihr Hemd aufzuknöpfen.
Sie schlug seine Hand weg und las weiter. „Anderson, Barbara, 2140 Lakeview Terrace, Apartment 9b. Archer … hey!“
Sie lachte, bis die Fröhlichkeit der Leidenschaft wich. Sekunden später liebte Noah sie gleich dort auf dem Sofa. Unter seiner Berührung fühlte sie sich so jung und begehrenswert, so attraktiv, wie sie sich als junges Mädchen nie gefühlt hatte. Bei ihm war sie eine andere. Sie hegte mehr Hoffnungen und sah mehr Möglichkeiten als … vermutlich als jemals zuvor in ihrem Leben.
Sehr viel später lag sie schweigend in Noahs Armen und überlegte. „Ich muss dich um etwas bitten.“
„Für dich tue ich alles.“ Diese einfache, aber ehrliche Aussage war überzeugender als alle blumigen Versprechen. „Was soll ich machen? Über heiße Kohlen laufen? Dir ans Ende der Welt folgen? Ja, das fände ich gut. Ich wollte immer schon mal reisen.“
„Schlimmer. Ich will dich bitten, dir mit mir zusammen eine Partie Kindereishockey anzusehen.“
„Autsch.“
„Als mein Date. Ich habe Daisy und Max von uns erzählt. Dass wir miteinander ausgehen. Es war komisch, aber ich glaube, sie haben es verstanden. Also, machst du es?“
„Das kostet dich was.“ Er flüsterte ihr einen Vorschlag ins Ohr, der sie erröten ließ.
„Ich schätze, darauf könnte ich mich einlassen.“
„Ich nehme dich beim Wort.“
Während er Feuer machte, trat sie ans Fenster und schaute in die blau leuchtende Dämmerung hinaus, die langsam ihr dunkles Tuch über den Schnee breitete. Eine schwarze Silhouette hob sich scharf von der Landschaft ab. Ein Reh, das die Rinde von einem Baum im Garten abknabberte. Sophie erinnerte sich an den Abend, an dem sie Noah kennengelernt hatte. Häufig malte sie sich aus, dass der Rehbock überlebt hatte und fröhlich durch die Wälder streifte.
Als das Feuer brannte, kam Noah zu ihr und zog sie von hinten an sich. Sie drehte sich in seinen Armen um. Eine nie gekannte Offenheit und Ruhe
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