Was der Winter verschwieg (German Edition)
wirst du noch miterleben, wie dein Mund langsam verfault.“
„Hör auf, wie meine Mutter zu klingen.“ Bo lehnt sich gegen die Wand und sah aus wie der Marlboro-Mann. „Nicht, dass ich eine Mutter hätte. Und ich rauche auch nur außerhalb der Saison.“
„Oh, stimmt. Danach verwandelst du dich in einen Gesundheitsfreak und fängst an, Tabak zu kauen.“
„Priem. Es heißt Priem. Wie in ‚prima‘.“
„Ich werde versuchen, es zu behalten.“ Noah musterte seinen Freund. Sie hatten sich drei Jahre zuvor kennengelernt. Bo hatte damals gerade seinen Vertrag bei den Hornets unterzeichnet, dem professionellen, unabhängigen Baseballteam der kanadisch-amerikanischen Liga, Can-Am League genannt. Kurz danach war er als Bassist zu Noahs Garagenband gestoßen.
„Ehrlich, Mann.“ Bo machte reichlich Platz, als Noah anfing, die Schubkarre und die leicht abschüssige Stallgasse mit einem starken Wasserstrahl abzuspülen. „Hast du nicht jemanden, der diese Arbeiten für dich übernehmen kann?“
„Manchmal“, erwiderte Noah. „Chelsea, ein Mädchen, das ein Stück die Straße runter wohnt, hilft an drei Tagen in der Woche in der Klinik aus, aber Ställe ausmisten ist eine Arbeit, die jeden Tag anfällt.“
„Was du nicht sagst“, murmelte Bo und drückte sich von der Wand ab.
„Es ist gar nicht so schlimm“, fand Noah. „Als meine Familie noch die Molkerei hatte, musste ich mich um die Kuhscheiße kümmern, was viel ekliger ist. Vor allem weil wir so viel mehr Kühe besaßen, als ich jetzt Pferde habe.“ Mit geübten Bewegungen holte er Futter aus dem großen Eimer und verteilte es auf vier kleinere Eimer.
„Stell den mal bitte in den Stall da drüben.“ Er reichte Bo einen der Futtereimer.
Grummelnd ging er zu dem Stall, in dem das rötliche Quarterhorse stand, das sich zur Begrüßung freundlich wie ein Labrador an ihn drängte. „Hey, der rennt mich ja um!“ Beinahe hätte Bo bei dem Versuch, sich so eng wie möglich an die Wand der Box zu drücken, den Eimer fallen lassen.
„Ach was, er freut sich nur, dich zu sehen“, rief Noah ihm aus der Nachbarbox zu, in der er gerade Alice fütterte. „Entspann dich, Kumpel. Ich dachte, alle Texaner wären Cowboys, die Pferde mögen.“
„Das denken alle, die nicht aus Texas kommen. Näher als beim Schauen von Wiederholungen alter
Bonanza
-Folgen auf einem gestohlenen Fernseher bin ich Pferden noch nie gekommen.“
„Warte kurz, ich hol nur schnell meine Geige.“ Noah tat so, als würde er einen Geigenbogen in dramatischer Geste über die Saiten einer Violine führen.
„Ich mein ja nur.“ Bo hatte es endlich geschafft, den Eimer in den Futtertrog zu leeren, und schlich sich rückwärts aus der Box, während das Pferd sich über das Futter hermachte.
Noah wusste, dass Bo es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man ihn bedauerte. Ihm war es lieber, man machte sich über ihn und die Art und Weise, wie er aufgewachsen war, lustig. Er hatte bei seinem älteren Bruder in einem Trailerpark in East Houston gewohnt. Ihre Parzelle hatte direkt an einem Schifffahrtskanal gelegen, in den ständig so viel Öl und Benzin floss, dass er regelmäßig Feuer fing.
„Wie auch immer“, fuhr Bo fort. „Du bist derjenige, der Ställe ausmisten muss, während ich mich darauf vorbereite, nach Florida zu reisen, um an meinem Teint zu arbeiten.“
Noah wickelte den Schlauch auf und packte die Eimer weg. „Okay, hier sind wir fertig.“
„Endlich“, sagte Bo. „Erinnere mich daran, dass ich nächstes Mal vorbeischaue, nachdem du deine Arbeit erledigt hast, nicht vorher.“
„Du bist heute aber auch in einer Tour am Meckern.“ Noah sah seinen Freund an, während sie gemeinsam den Hof überquerten. Die untergehende Wintersonne warf lange Schatten über das schneebedeckte Grundstück.
„Stimmt, das bin ich, nicht wahr, Tom Sawyer?“ Manchmal nannte Bo ihn Tom Sawyer, weil er überzeugt war, dass Noahs idyllische Kindheit etwas war, das es sonst nur in Büchern gab. Bo war mehr der Huckleberry Finn, ohne irgendwelche Bindungen und durch die Welt stromernd, wie es ihm gefiel. Als Autodidakt hatte Bo mehr Bücher gelesen als jeder andere, den Noah kannte, und er liebte es, in seine Gespräche sowohl literarische Zitate als auch Obszönitäten einfließen zu lassen. „Ich schätze, das liegt daran“, fuhr er fort, „dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr flachgelegt worden bin. Das macht einen Mann übellaunig und unausgeglichen. Ich schätze, du
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