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Was Die Liebe Naehrt

Was Die Liebe Naehrt

Titel: Was Die Liebe Naehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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einen Mann oder auf eine Frau. Es war Liebe zu allem, was ist. Sie hatte das Gefühl, in diesem Augenblick einfach nur Liebe zu sein . Was Johannes in seinem Brief schreibt, hat sie erfahren. Sie hat Gott als Liebe erfahren. Diese Liebe war mehr als ein Gefühl. Sie war
     ein Raum, in dem sie wohnte. Aber diese Frau hat diesen Raum der reinen Liebe erfahren, weil sie früher auch die konkrete Liebe zu einem Mann erlebt
     hatte. Die reine Liebe können wir nur spüren, wenn wir die vermischte Liebe zu einem Menschen erfahren, die uns mit der Quelle der göttlichen Liebe in
     Berührung bringt.
Mehr als ein Gefühl
    Vor einiger Zeit sprach ich in Taiwan mit einer buddhistischen Nonne und Zenmeisterin über die Erfahrung des inneren Raumes, die wir
     in der Meditation machen. Ich erzählte ihr, dass mich das Jesusgebet in den inneren Raum der Stille führt, der erfüllt ist von Liebe. Da meinte sie, Liebe
     sei zu anstrengend. Für sie sei es ein Raum der Leere, den sie in der Meditation erfahre. Im Gespräch wurde klar, dass sie Liebe mit Gefühl
     identifizierte. Doch Liebe ist mehr als Gefühl. Liebe ist eine Qualität des Seins. Johannes sagt, dass in jedem ein Raum ist, der von Liebe erfüllt
     ist. Durch die Erfahrung unserer brüchigen Liebe dürfen wir die mystische Erfahrung machen, dass in uns Liebe ist. Doch es genügt nicht, sich an dieser
     Liebe nur zuergötzen. Sie will sich in der Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern äußern. Freilich hat es wenig Sinn, einander
     zuzurufen: »Du musst deine Brüder und Schwestern lieben!« Solch ein moralisierender Aufruf hinterlässt in uns nur ein schlechtes Gewissen. Johannes wirbt
     anders für die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern. Die erste Begründung: »Wenn Gott uns so geliebt hat, dann schulden wir dieser Erfahrung von Liebe,
     dass wir einander lieben« (vgl. 1 Joh 4,11). Die Einheitsübersetzung spricht hier davon, dass wir einander lieben müssen. Doch Johannes spricht nicht von
     »müssen«, sondern von »schulden«. Wir sind es unserer Erfahrung von Liebe schuldig, dass wir selbst mit Liebe antworten. Die zweite Begründung: »Keiner
     hat Gott je gesehen. Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist vollendet in uns gegenwärtig« (1 Joh 4,12). Wenn wir einander
     lieben, dürfen wir Gott in uns erfahren. Und in unserer brüchigen und oft so armseligen Liebe haben wir teil an der vollkommenen und vollendeten Liebe
     Gottes, die auf dem Grund unserer Seele in uns ist.
Die Quelle der Liebe
    Unsere menschliche Liebe führt uns zur Quelle der göttlichen Liebe. Aber umgekehrt ermöglicht uns diese Quelle der Liebe in uns, mit
     unseren menschlichen Erfahrungen von Liebe anders umzugehen. Ein Beispiel: Eine Frau hat sich in einen Mann verliebt, der diese Liebe nicht erwidert. Sie
     fühlt sich zutiefst unglücklich. Doch wenn wir dasWort des Johannes ernst nehmen, dann heißt das: Die Liebe, die ich im Verliebtsein in
     mir spüre, ist auch Gott. Und wenn ich diese Liebe spüre, dann bin ich in Gott. Es kommt gar nicht darauf an, ob der oder die andere meine Liebe erwidert
     oder nicht. Ich bin nicht davon abhängig, ob die oder der andere mich auch wieder liebt. Ich mache die Erfahrung von Gott, der in mir ist. Das
     Verliebtsein bringt mich also in Berührung mit der Quelle der göttlichen Liebe, die in mir strömt. Es wäre schön, wenn meine Liebe durch den anderen
     erwidert würde. Aber ich bin nicht ohne Liebe, wenn meine Liebe nicht beantwortet wird. Vielmehr kann noch die Enttäuschung zu einem Weg werden, nach
     innen zu gehen und die innere Quelle der Liebe in mir wahrzunehmen und zu genießen.
    Verliebtsein bringt mich in Berührung mit der Liebe, die in mir ist. Aber Verliebtsein ist noch nicht die reine Liebe. Im Verliebtsein ist – so meint
     C. G. Jung – noch Projektion mit im Spiel. Ich projiziere meine Sehnsüchte in den anderen hinein. Ich liebe in der Frau, in die ich mich verliebt habe,
     letztlich mich selbst. Ich liebe das in mir, was in mir ist, was ich aber vernachlässigt habe. Die Frau, in die ich mich verliebt habe, erinnert mich an
     das Vernachlässigte und Übersehene in mir. Die Aufgabe für mich wäre also, dass ich das, woran die Frau mich erinnert, in mir bewusst wahrnehme und
     entfalte. Dann kann sich das Verliebtsein in Liebe wandeln. Der erste Schritt ist, dass ich unabhängiger von meinem Verliebtsein werde. Die Liebe, die ich
     zu dieser Person empfinde, bringt mich in Berührung mit

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