Was Die Liebe Naehrt
was sie noch nicht
sieht. Damit ermöglicht sie auf Dauer eine Entfaltung und Verwandlung.
Verantwortung füreinander
Verantwortung als spirituelle Haltung ist die Antwort auf den Ruf, der an mich ergangen ist. An jeden von uns ist ein Ruf von Gott
ergangen: Ich bin ins Dasein gerufen. Ich habe einen Ruf bekommen, mein Leben zu leben. Und ich habe einen Ruf gespürt, diese Frau oder diesen Mann zuheiraten. Auf diesen Ruf habe ich geantwortet und so Verantwortung übernommen für mich selbst und für mein Leben, aber auch für den
anderen Menschen. Der kleine Prinz bei Exupéry sagt das schöne Wort: »Du bist zeit deines Lebens verantwortlich für den, den du dir vertraut gemacht
hast.« Wenn ich mit einem Menschen vertraut werde und mich auf ihn einlasse, übernehme ich Verantwortung für ihn. Selbst wenn die Beziehung scheitert, bin
ich noch für den anderen verantwortlich. Ich kann unsere Beziehung nicht ungeschehen machen und den anderen einfach wie Luft behandeln. Auch dann habe ich
noch eine Verantwortung, etwa dass wir uns auf faire Weise trennen. Ich bin verantwortlich für mein Tun. Ich kann einfach nicht nur nach Lust und Laune
handeln. Ich muss Rechenschaft ablegen vor meinem eigenen Gewissen und vor dem Partner und vor Gott.
Diese Verantwortung gilt gerade dort, wo ich mich als Ehemann in eine andere Frau verliebe. Dass ich mich verliebe, dagegen ist kein Kraut
gewachsen. Manche meinen, die Frau, in die sie sich verliebt haben, würde alle ihre Sehnsüchte erfüllen. Und sie spüren dann die Defizite in der eigenen
Beziehung. So meinen sie, nur die neue Frau würde ihnen ermöglichen, ein erfülltes Leben zu leben. Doch sie sehen die Verantwortung nicht, die sie
eingegangen sind. Verantwortlich mit dem Verliebtsein umzugehen würde heißen: Ich sehe das Verliebtsein als Chance, in mir neue Seiten zu entfalten und
die eigene Beziehung wieder neu zu beleben. Ich muss das Verliebtsein in mein Lebenskonzept integrieren. Natürlich gibt es auch da manchmal ein
Scheitern. Etwa wenn die alte Beziehung so festgefahrenist, dass sie nicht wieder belebt werden kann. Aber zunächst muss ich meiner
Verantwortung gerecht werden. Ich muss antworten auf die Sehnsucht meiner Frau, die mit mir alt werden wollte und die mich als Vater ihrer Kinder
will. Ich kann diese Verantwortung nicht einfach loslassen. Und selbst wenn die Ehe scheitern sollte, muss ich verantwortlich mit meiner Familie
umgehen. Bei manchen hat man den Eindruck, dass sie jede Verantwortung ablehnen. Sie berufen sich auf die starken Gefühle, die sie zur neuen Partnerin
haben. Sie werden blind für das, was sie bisher gelebt haben. Verantwortung heißt aber, dass ich mich in Frage stellen lasse und auf die Fragen antworte,
die mir meine Frau und meine Kinder stellen. Ich kann nicht einfach meiner Wege gehen und meinen, die anderen müssten sehen, wie sie zurechtkommen.
Eine Frau, deren Mann in der Friedensbewegung und Umweltbewegung tätig war, erzählte mir: »In der Friedensbewegung übernimmt er Verantwortung für die
ganze Welt. Aber für mich und meine Familie lehnt er jede Verantwortung ab. Da ist er einfach nur seinen Gefühlen gefolgt und hat uns im Stich
gelassen. Er hat sich der Auseinandersetzung gar nicht gestellt.« Einem konkreten Menschen gegenüber, den ich verletzt habe, Antwort zu geben, fällt uns
schwer. Wir müssen uns aber stellen und uns zeigen, wie wir sind, auch in unserer Brüchigkeit und Schwäche. Wer Verantwortung übernimmt, der wird
bescheiden. Er versteckt sich nicht mehr hinter großen Worten. Er gesteht sich ein, dass er andere verletzt hat. Und er stellt sich denen, die er verletzt
hat. Er antwortet ihnen auf ihren Schmerz und ihre Enttäuschung.
Authentisch leben
Jesus hat nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern gesagt: »Ich bin ich selber« ( Ego eimi autos ). Das griechische Wort autos meint das innere Heiligtum des Menschen, in dem er mit seiner Seele in Berührung kommt, mit dem einmaligen und unverfälschten Bild, das Gott
sich von ihm gemacht hat. Spiritualität heißt, immer mehr dieses Bild Gottes in mir zu entdecken und zu entfalten, immer mehr ich selber zu werden. Die
Philosophie hat diese Haltung als Authentizität beschrieben. Es ist die Haltung, echt zu sein, mit dem ursprünglichen Bild in Berührung zu sein, das Gott
sich von jedem von uns gemacht hat. Oft genug verbiegen wir uns. Wir versuchen, uns den Erwartungen anderer anzupassen. Wir sind
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