Was Die Liebe Naehrt
anders in der Familie,
anders im Beruf, anders im Freundeskreis. Wir spüren, was die anderen jeweils von uns erwarten, und spielen die Rolle, die dort ankommt. Aber wir sind
nicht wir selbst. In der Partnerschaft kann man sich nicht hinter Rollen verstecken. Da muss ich mich stellen mit meiner Wahrheit. Da muss ich mir klar
werden, wer ich eigentlich bin. Die Beziehung gelingt nur, wenn beide ganz sie selbst sind, authentisch, mit ihrem Wesen übereinstimmend.
Ekstase und Hingabe
Hans Jellouschek weist im Blick auf die Verbindung zwischen Spiritualität und Beziehung auf einen anderen Aspekt hin. Er warnt davor,
die Beziehung zwischenMann und Frau, vor allem die sexuelle Beziehung spirituell und religiös aufzuladen. Er meint damit, dass wir die
Partnerliebe so sehr idealisieren, dass sie in eine religiöse Dimension hineinreicht. Aber dennoch sollen wir die erotisch-sexuelle Beziehung
zusammenbringen mit der Spiritualität. Denn in der sexuellen Hingabe an den Partner geschieht etwas von der Ekstase, die wir auch vom mystischen Weg der
Vereinigung mit Gott erhoffen. Jellouschek hebt in einer Reflexion über Spriritualität als therapeutische Kraft hervor: »Gerade wenn die erotische
Erfahrung aus ihrer Abspaltung vom Religiösen befreit und in eine spirituelle Perspektive mit hineingenommen wird, wird sie damit auf einen realistischen
Boden gestellt und in gewisser Weise auch relativiert.« Im sexuellen Einswerden erfahren wir auch das, was die Theologie Gnade nennt: dass der Mann sich
von der Frau als Mann und die Frau sich vom Mann in ihrer Weiblichkeit angenommen weiß. Alles, was wir in der erotisch-sexuellen Beziehung erfahren, ist
für Jellouschek gleichsam ein »Vorschein dessen, wohin wir unterwegs sind. Damit hilft eine spirituelle Sichtweise der erotischen Liebe zu einer
realistischen Einstellung und könnte damit die ›bloß therapeutischen‹ Bemühungen des Therapeuten um ein realistisches Liebesverständnis sehr
unterstützen.« Und noch einen anderen Aspekt, auf den ich oben schon hingewiesen habe, betont Jellouschek. Die Liebe wird nur auf Dauer lebendig bleiben,
wenn die beiden Partner sich nicht nur ständig in die Augen schauen, sondern über sich hinaus auf ein gemeinsames Ziel sehen. Dieses Ziel darf aber nicht
zu klein gefasst werden. Letztlich muss es ein Ziel sein, das über diebeiden hinausweist. Die Spiritualität weist über sich hinaus. Die
Partner verstehen sich als Pilger auf dem Weg. Sie gehen auf ein Ziel hin, das sich auch über den Tod hinaus verbindet, auf Gott hin. Jellouschek zitiert
den jüdischen Therapeuten Viktor E. Frankl, dessen Grundeinsicht war, »dass wir unser Leben dann als wertvoll erfahren, wenn wir es Wertvollem
widmen«.
Was die Beziehung nährt
Erinnerung an den Beginn
Die Beziehung braucht immer wieder Stärkung, Erfrischung und Erneuerung. Ein Weg, die Beziehung zu stärken, ist die Erinnerung an den
Beginn. Was hat uns damals zusammengeführt? Was war die Faszination? Die Liebe, die einmal war, ist nicht einfach vergangen. Sie hat sich vielleicht
verändert oder sie ist abgeflacht. Ich kann auch nicht die Gefühle wiederholen, die im Verliebtsein in mir aufgebrochen sind. Denn diese intensiven
Gefühle haben immer auch mit Projektion zu tun. Die Frau, in die ich mich verliebe, weckt in mir starke Gefühle. Sie berührt meine tiefe Sehnsucht nach
Einssein. Sie bringt mich in Berührung mit den Gefühlen, die tief in meiner Seele schlummern und geweckt werden wollen. Aber wenn ich mich an den Beginn
erinnere, dann spüre ich nicht nur das Verliebtsein und die Gefühle, sondern auch eine Ahnung von dem Kostbaren und Einzigartigen, was diese Frau
verkörpert. Zumindest hat es mich damals angesprochen. Vielleicht habe ich in ihr die Verheißung von Glück, von Mütterlichkeit, von Schönheit, von
Lebendigkeit, von Liebe gesehen. Was bleibt von dieser Verheißung übrig? Wenn ich all die tiefen Gefühle einmal beiseite lasse und nüchtern anschaue, was
mich zu dieser Frau hingezogen hat, was taucht dann auf? Es ist ja etwas, das bei aller Projektiondoch auch in diesem Menschen
liegt. Und es liegt heute noch in ihm. So kann die Erinnerung an früher mich offen machen für das, was diese Frau oder diesen Mann ausmacht. Und ich kann
von neuem Ja sagen zu dieser konkreten Person. Sie hat im Laufe der Zeit auch andere Seiten gezeigt. Aber das, was mich damals angezogen hat, ist auch
noch in ihr. Und wenn ich
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