Was diese Frau so alles kann
nachdenken. Sie war so gelöst wie lange nicht mehr. Sie konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, bei den Mahlzeiten mit ihrer Familie oder allein mit Darren so entspannt gewesen zu sein. Sam interessierte es nicht, welche Gabel sie zuerst nahm, ob sie überhaupt mit der Gabel aß oder ob sie sich die Serviette auf den Schoß legte. Stück für Stück warf sie die Regeln ab, die ihr Leben bestimmt hatten.
Sam war zur richtigen Zeit in ihr Leben geschneit. Sie würde ihm niemals vergessen, dass er ihr Leben an diesem Wochenende vollkommen verändert hatte.
Sam beobachtete, wie Regan mit Begeisterung die Pizza verspeiste und sich genüsslich die Soße von den Fingern leckte, bevor sie den nächsten Bissen nahm. Die Szene mit ihrem Exverlobten hatte sie aufgewühlt, und der daraus resultierende Adrenalinstoß, der sie erfasst hatte, war sehenswert.
Er schob den Pizzakarton zur Seite und legte die Ellbogen auf den Tisch. “Erzähl mir von deiner Familie. Warum benutzt dieser Typ sie als Druckmittel, um dich zu kränken?” Er fragte sie nach persönlichen Dingen! Damit brach er seine oberste Regel.
Eine Affäre sollte locker sein und leicht aufzulösen, jederzeit. Doch diese Frau zog ihn viel zu sehr an, um es zwischen ihnen beim Körperlichen zu belassen. Nicht, dass die körperliche Seite zwischen ihnen nicht sensationell wäre – denn das war sie mit Sicherheit. Aber leider reichte ihm das nicht.
“Das willst du gar nicht wissen.” Unter ihren Wimpern hervor trafen sich ihre Blicke, und sie wirkte verlegen.
“Doch, das will ich sehr wohl wissen.” Er streckte seinen Arm aus und wartete, bis sie ihre Hand in seine gelegt hatte. “Ich will wissen, was dich so weit gebracht hat. Was uns zusammengebracht hat.”
Sie biss sich auf die Unterlippe, ehe sie antwortete. “Tja, wie du dir wahrscheinlich schon gedacht hast, habe ich eine Familie, die sehr gern die Kontrolle übernimmt und alles beherrschen will. Sie hat gewisse … Erwartungen. Und ich sollte diese Erwartungen erfüllen. Meine Schwestern haben das schon getan. Mit ihnen hatten meine Eltern keine Probleme.” Bei diesem Gedanken war Regans Blick mit einem Mal leer. “Aber hier drin möchte ich nicht so werden wie meine Mutter oder meine Schwestern.” Sie legte die Hand auf ihr Herz. “Statt in jungen Jahren einen Mann zu heiraten, den mein Vater für mich ausgesucht hat, habe ich jeden Typ, den er mir vorgestellt hat, zerpflückt und abgelehnt. Ich habe meine Eltern bei jeder Gelegenheit enttäuscht.”
Sam schüttelte den Kopf. “Das klingt alles so überholt. So … unzeitgemäß.”
Sie lachte. “Du hast gerade meine Familie beschrieben. Und die Familien der Freunde meiner Eltern. Wo ich herkomme, legt man noch Wert auf alte Traditionen. Und obwohl ich mir eingeredet habe, diese Traditionen und Vorstellungen zu akzeptieren, habe ich mich in Wahrheit immer dagegen aufgelehnt. Ich habe jeden Mann zurückgewiesen, den sie mir vorgestellt haben. Sie haben mich spitzfindig genannt. Ich nannte es wählerisch.” Sie erhob sich und begann, die Reste des Abendessens wegzuräumen.
Ohne zu zögern stand er ebenfalls auf und half ihr. “Ich glaube nicht, dass du jemanden heiraten musst, um deine Familie glücklich zu machen. Und deine Familie sollte nicht darauf bestehen, dass du dich fügst, wenn es dich unglücklich macht.” Er faltete den leeren Pizzakarton zusammen und stopfte ihn in die Mülltüte, die sie ihm entgegenhielt. “Ich will das nur eben in den Müllschlucker werfen, und dann reden wir weiter.”
Als er mit dem Müll den Flur entlangging, erlaubte er es sich zum ersten Mal, über den Mann nachzudenken, mit dem Regan verlobt gewesen war. Ein Kerl, der offensichtlich aus reichem Hause stammte und die passende Einstellung dazu an den Tag legte. Ein Kerl, der mit alldem aufgewachsen war, was Sam vermisst hatte. Doch auch ein Kerl, der keinen Charakter hatte. Der keine Verantwortung für sein Handeln übernahm und der sogar bereit war, eine Frau zu demütigen, wenn es ihn in den Augen ihrer oder seiner Familie besser dastehen ließ.
Eine Frau wie Regan hatte er nicht verdient. Sam war froh, dass sie diesem Mann und den Konventionen entkommen war – auch wenn dieser Prozess schmerzhaft für sie war.
Offensichtlich war sie ebenfalls erleichtert, und das machte das, was zwischen ihnen war, noch besser. Immerhin hätte es auch ganz anders kommen können: Sie hätte sich ihm nur zuwenden können, um sich mit ihm über die
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