Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
hineinzuwerfen.
Einen Monat lang stehe ich unter polizeilichen Auflagen. Die Regionalzeitungen bringen es, Ortsansässige festgenommen , und David erzählt mir, dass es in einigen Überregionalen weiter hinten steht, obwohl er alle Zeitungen von mir fernhält und ich nicht das Bedürfnis habe, sie mir anzusehen. Niemand findet uns in dem Hotel, einem luftigen Gästehaus gut dreißig Kilometer weiter an der Küste mit Blick auf einen Terrassengarten aus dem Erkerfenster des Frühstücksraums. Wir bleiben fünf Tage.
David zweifelt keine Sekunde an mir, nie. Er ist davon überzeugt, dass sich Chloe selbst von der Klippe gestürzt hat – und davon, dass er weiß, warum sie es genau dort getan hat: Weil er mir dort vor all den Jahren seinen Antrag gemacht hat. Chloe war schon immer krankhaft eifersüchtig auf mich – er meint, das habe er der Polizei gesagt, als sie ihn unmittelbar nach ihrem Verschwinden verhörten. Sie hatte ihn nach allen Einzelheiten unserer Ehe ausgefragt, und in der Anfangsphase ihrer Affäre hatte er ihr erzählt, wie er mich zum Überhang gezerrt hatte. Dabei hatte er sich so verhalten, wie Frischverliebte einander häufig bestimmte Dinge über die Partner verraten, die sie betrügen, als Geste, doch später sollte er bereuen, dass er ihr ausgerechnet diese Geschichte erzählt hatte. Es wurde zum großen Thema für sie beide, besonders nachdem er geäußert hatte, dass er nicht wieder heiraten wollte, wenn unsere Scheidung durch sei. Als es in ihrer Beziehung immer heftiger kriselte, drohte Chloe damit, von genau dieser Stelle der Steilküste zu springen, und sagte ihm, eines Tages würde er sie noch dazu bringen. Das hatte sie nicht nur einmal gesagt. Chloe hatte schon zwei Selbstmordversuche hinter sich, einmal, als sie fünfzehn war, mit Paracetamol, ein andermal, Anfang zwanzig, mit Schmerztabletten, nachdem ein Verhältnis mit einem älteren Mann in die Brüche gegangen war. Für David besteht nie auch nur der geringste Zweifel an dem, was geschehen ist. Als er mir ihre problembeladene Geschichte fertig erzählt hat, tut Chloe mir so leid, wie sie jedem anständigen Menschen leidtäte, aber ich kann ihr immer noch nicht verzeihen, dass sie sich in meinen Mann verliebt oder mir die Drohbriefe geschickt hat; doch nach einiger Zeit habe ich den Eindruck, als könnte ich mit diesen Gefühlen – meiner Verachtung, meinem Mitleid, meiner Verwirrung – umgehen. Ich komme damit klar, weil David noch viel verwirrter ist als ich. Er ist am Boden zerstört vor Schuldgefühlen und Reue wegen Chloes Selbstmord und zugleich furchtbar wütend auf sie, weil sie, wie er glaubt, aus dem Wunsch heraus in den Tod gegangen ist, in seinem Kopf mit mir und, schlimmer noch, seiner Tochter zu konkurrieren. Um diese Fäden zu entwirren, bräuchte es einen spezialisierteren Therapeuten als mich, also versuche ich es gar nicht erst.
An unserem letzten Abend im Hotel schleichen wir uns in die Bar runter, als die Jungs schlafen – die Rezeptionistin sitzt an so einer altmodischen Telefonanlage und lässt uns den Hörer im Zimmer daneben legen, damit sie mit einem Ohr horchen und uns holen kann, wenn einer der beiden aufwacht. David und ich gehen in die Bar – flauschiger Teppichboden, Ölbilder in vergoldeten Rahmen an der Wand und blank polierte Holzoberflächen. Wir setzen uns auf Barhocker und lächeln einander zu, während wir uns hochstemmen, bestätigen uns gegenseitig, dass junge Leute so etwas tun, die zu einem Date verabredet sind, nicht etwa Menschen mit so umfangreichen Lebensgeschichten wie wir.
»Wir wär’s mit einem Whisky?«, fragt David und mustert die Flaschen hinter der Theke.
»Nein, nein, danke«, sage ich rasch. »Ich halte mich an Wein.«
Er bestellt ein Glas Rotwein für mich und einen doppelten Whisky für sich, ohne Eis, und dazu knabbern wir Erdnüsse, obwohl wir vorher mit den Jungs zu Abend gegessen haben, und ein behagliches Schweigen kommt auf, weil wir beide wissen, dass dies unser letzter Abend in der anonymen Hotellandschaft ist; morgen müssen wir in unsere Heimatstadt zurückfahren und uns etwas einfallen lassen, wie wir von nun an leben wollen. Wir haben alle in einem Hotelzimmer übernachtet – Harry in einem Hotelkinderbett und Rees auf einem Klappbett, David und ich in Einzelbetten nebeneinander. Wie immer bin ich in den meisten Nächten aufgewacht, bin aber, anstatt aufzustehen, ruhig liegen geblieben und habe den Atemzügen der anderen im Zimmer gelauscht, war darin
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