Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
mir wünschte, dass es sie nie gegeben hätte. Er hat mir seine Geschichte erzählt, ich ihm meine. In diesem Sinn hat die Polizei recht, ich bin der Verabredung zum Mord schuldig; aber ich bin nicht schuld an Chloes Tod. Sie hat Selbstmord begangen. Es kann nicht anders sein. Wochenlang habe ich das immer und immer wieder im Kopf hin- und hergewälzt, doch dieser Brief überzeugt mich schließlich von meiner Unschuld. Edith hat mir vieles vorgeworfen, nicht jedoch, ihre Tochter ermordet zu haben. Da selbst sie an Chloes Selbstmord glaubt, bin ich nun endgültig davon überzeugt, dass meine Verschwörung mit Ahmetaj nichts mit Chloes Tod zu tun hatte. Ich bin schuldig, aber ich bin freigesprochen. Chloe lebt nicht mehr. Es ist nicht meine Schuld.
Während ich mit dem Brief in der Hand dasitze, fällt mir Jenny Ozu ein. Ich denke daran, wie ich jemandem wehtun musste wegen all der vielen Dinge, die mir wehtaten, und dass ich es damals nie so gesehen hätte. Ich denke daran, dass uns immer eine Möglichkeit einfällt, uns vor uns selbst zu rechtfertigen, uns in moralischem, gar heldenhaftem Licht zu sehen – selbst Edith hält sich vermutlich für einen ehrlichen, anständigen Menschen. Es nimmt kein Ende, denke ich.
Ich falte den Brief zusammen, schiebe ihn in den Umschlag zurück und verstecke ihn im Seitenfach der Tasche, die ich gepackt habe, bevor wir ins Hotel fuhren. Ich beschließe, David nichts zu sagen. Wir müssen einfach weit weg von hier, so weit und so schnell wie nur möglich.
Rees und ich kümmern uns gemeinsam um Harry. Es macht uns Spaß. David verschafft es Freiraum und Rees und mir eine Möglichkeit, etwas zusammen zu machen.
»Er ist unser Baby, nicht?«, fragt Rees mich später am Tag, als wir Harry auf dem Wohnzimmerteppich die Windeln wechseln, die faltbare Wickelunterlage untergeschoben. »Ja, Schätzchen«, sage ich und zeige auf die Feuchttücher, damit er sie mir gibt, »genau.«
Später fahren Rees und ich mit Harry nach Eastley zum Maklerbüro. Harry sitzt auf meinem Schoß und spielt mit den Broschüren in einem Ständer neben der Tür, während ich einen Termin mit einem Makler vereinbare, der den Bungalow und mein Haus begutachten soll. Danach fahren wir zu Tante Lorraine. Davids Schwester Ceri ist da, und wir drei gehen mit Rees in den Garten, damit er Fußball spielen kann, während wir ihm in der Kälte zusehen.
»Wann kriege ich denn meinen Neffen zu Gesicht?«, fragt Lorraine mich mit sanfter Stimme, während ich Rees den Ball zuschieße. Er ist mit Ceri in einer Mannschaft. Lorraine klingt ein wenig bittend, als läge es in meiner Macht. Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. David will keinen Menschen außer mir sehen, nicht einmal seine Eltern.
»Es wird noch ein wenig dauern …«, sage ich.
»Ach, David«, seufzt Lorraine mit Tränen in der Stimme.
Rees hat den Ball erobert und dribbelt nicht sehr überzeugend auf Ceri zu, versucht, an ihr vorbeizukommen, obwohl sie in seiner Mannschaft sein soll. Sie tut so, als würde sie ihn angreifen.
»Ich glaube, wir werden nach Wales zurückziehen«, höre ich mich selbst zu Lorraine sagen, und es kommt mir überraschend natürlich vor, diesen Gedanken laut auszusprechen, obwohl er mir eben erst gekommen ist und ich ihn noch nicht einmal mit David besprochen habe.
Lorraine sieht mich an.
»David und ich und die Jungs«, sage ich. »Wir können nicht hierbleiben.« Ich weiß nicht, wie viel Lorraine über Chloes Mutter weiß – doch das ist natürlich nur ein Grund. Wir können nicht in unserem alten Haus wohnen, wir können nicht in dem Bungalow wohnen, wir können nicht getrennt sein – was bleibt David und mir jetzt noch anderes übrig?
Obwohl Lorraine erschöpft und traurig aussieht, nickt sie zustimmend. »Wir haben immer noch jede Menge Verwandte in Aberystwyth«, sagt sie. »Ich hab mir selbst oft überlegt zurückzugehen, aber Richard wäre bestimmt nicht damit einverstanden.«
Rees schießt ein Tor gegen Ceri und rennt begeistert durch den Garten, rudert mit den Armen und stößt Triumphschreie aus.
In dieser Nacht werde ich von stolpernden Geräuschen in der Küche wach. David ist häufig nachts wach, auch wenn er nicht von Harrys unregelmäßigen Trinkgewohnheiten geweckt wurde. Manchmal bleibe ich in meinem Schlafsack auf dem Sofa liegen und lausche – aufgerissene Schranktüren, gedämpftes Schluchzen. Diesmal stehe ich auf. Der Bungalow ist kalt. Ich schnappe mir den Pulli, den ich abends auf dem Sessel
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