Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
»Gehen wir«, sagte er leise, streckte die Hand aus, legte sie mir leicht an die Schläfe und berührte sanft mein Haar. Nach all seinem offensiven Flirten, seiner Direktheit schmolz ich bei der Zartheit dieser Geste dahin.
Weil ich zu viel getrunken hatte, ließen wir mein Auto am Straßenrand stehen und gingen zu Fuß zu meiner Wohnung. Es war seine Idee, eine Abkürzung durch den Park zu nehmen. Die Stellung war schwierig. Er musste mein eines Bein hochhalten, das Knie auf seinen Unterarm gestützt, selber etwas in die Knie gehen und sich dann selbst einführen. Obwohl wir noch Herbst hatten, war die Temperatur im Lauf des Abends abgesackt. Mein Mantel und mein Kleid waren bis zur Taille hochgeschoben. Ich hatte eine blickdichte schwarze Strumpfhose an. Er riss ein Loch hinein. Später fand ich Rindenstückchen in meinem Schlüpfer. Ich zitterte vor Kälte und aus Furcht, von vorbeigehenden Jugendlichen oder Hundehaltern überrascht zu werden, so sehr, dass ich nicht kommen konnte. Er zog sich noch gerade rechtzeitig raus und kam, mit einer flinken Handbewegung, auf seine Hose. Dann küsste er mich wild und sagte, er würde mir die Rechnung der Reinigung schicken. Das Ganze war unbeholfen und nicht sehr befriedigend und machte mich rasend vor Begierde, als ich später daran zurückdachte.
Meine erste Zeit mit David war wundervoll, fieberhaft und, auch, eine Art Hölle. Ich dachte ununterbrochen an ihn. Ich dachte so viel an ihn, dass mir manchmal flau im Magen wurde, als wäre ich betrunken. Ich dachte sogar an ihn, während ich mit ihm redete, selbst während wir uns beiläufig darum kabbelten, ob wir ins Kino gehen oder etwas zu essen holen sollten. Ich sehnte ihn selbst dann herbei, wenn ich ihn hatte: Ihn zu haben, reichte mir nicht. Meine Lust auf ihn war so überwältigend, dass ich ständig unter der Dusche onanierte. Während der Arbeit fing ich an, seine Initialen auf Zettel zu kritzeln. Wenn keine Zettel herumlagen, schrieb ich sie mir auf die Hand. Ich dachte an seine Lenden – ein unprofessionelles Wort für eine unprofessionelle Betrachtung dieser Körperpartie: teils Oberschenkelhalsknochen, teils Gesäßbacke, teils Muskel, angespannt, gegen mich gedrückt. Das Wort entwickelte eine Faszination, von der mir fast schlecht wurde: Lenden . Die meisten Leute denken, die Gesäßmuskeln würden die Stöße ausführen, die Gluteusmuskeln. Dabei sind es die piriformis , zwei kleine Muskeln tief in den Hinterbacken, die die Hüften mit den Beinen verbinden. In der Hochschule gefielen sich die Dozenten immer besonders darin, Studentinnen die Bewegungen der piriformis zu demonstrieren. Lenden hingegen ist ein Sammelbegriff, der noch dazu Anklänge an etwas Biblisches hat – es gibt zwei davon, von den Lenden, wie auch zwei Hände, zwei Augen –, die Augen, der Blick, sein Blick, den er auf mich gerichtet hielt, während er meinen Kopf zwischen seinen zwei großen Händen hielt, ganz fest. So liefen sie immerzu im Kreis, meine Gedanken an ihn. Wenn meine Bilder von ihm abgenutzt waren, musste ich ihn wiedersehen, um mir neue zu besorgen, nur um festzustellen, dass die alten wiederkehrten, kaum waren wir wieder auseinander, dass sie sich überlagerten und wieder trennten wie die bunten Scherben in einem Kaleidoskop. Dann hielt ich mit erhobenem Stift mitten im Berichtschreiben über einen meiner älteren Patienten inne, vorübergehend verwirrt, dass ich da war, an meinem Schreibtisch, und einen Krankenbericht schrieb, anstatt bei ihm zu sein. Meine Kolleginnen fragten mich immer wieder, ob etwas mit mir nicht stimmte.
Es war schwer, ihn nicht zu bedrängen – ich wusste genug über ihn und Männer im Allgemeinen, um einzusehen, dass ich ihn damit über alle Berge jagen würde. Stattdessen blieben mir also tagein, tagaus meine Fantasien, meine Sehnsüchte und das etwas flaue Gefühl im Magen, immerzu, bei der Erinnerung, wie fest er meinen Kopf hielt, während er mich küsste. Nicht ein einziges Mal lief ich hinter ihm her. Ich wartete, bis er mich anrief, und wenn es passierte, war sein lockerer Tonfall jedes Mal ein gewisser Schock für mich. »Hey du, wie geht’s?«, legte er los. Konnte es sein, dass ihm nicht klar war, wie viel ich an ihn gedacht hatte? Dann antwortete ich, ebenso locker: »Gut, und dir?«, und erschrak noch mehr über mich selbst. Er ist nur einer von vielen, sagte ich mir, während wir Neuigkeiten austauschten. Er steht am Morgen auf, duscht, rasiert sich und frühstückt, und
Weitere Kostenlose Bücher