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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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neuen, vollen von der Arbeitsplatte, von dem sie die Klarsichtfolie abzog, woraufhin appetitlich angerichtete welke Mini-Blätterteigtaschen mit Cherrytomaten-Farbtupfen dazwischen zum Vorschein kamen. »Ein Glück, dass sie ihn vorher durchschaut hat.« Sie übergab mir die Platte. »Du weißt doch, was man über Waliser sagt, oder, Mädchen? Sie geben tolle Väter ab, weil sie selber solche Kinder sind, aber leider miese Ehemänner.« Sie drehte sich um und sagte dann über die Schulter: »Sei so lieb und bring das für mich rein. Ich hab noch die Frühlingsrollen im Backofen. Wenigstens etwas Heißes, nicht so wie die hier.«
    Ich verstand das als Test, kam der Aufforderung nach und schnitt David eine Grimasse, während ich mit dem Servierteller in beiden Händen an ihm vorbeiging.
    Als wir drei Stunden später das Haus verließen, legte mir David den Arm um die Taille und zog mich so fest an sich, dass ich mich wand, als sich seine Fingerspitzen in meine Haut bohrten. »Du warst toll!«, murmelte er und biss mich ins Ohrläppchen. Leicht besäuselt und ein wenig müde, überlegte ich, ob es das wohl war, das Signal – ich hatte seine Familie kennengelernt und hatte den Test bestanden. Weder war ich eine hochnäsige Schnepfe, noch hatte ich zu viel Synthetik am Leib. Jetzt, da wir sozusagen öffentlich ein Paar waren, konnten wir auch privat eins sein? Ich fürchtete mich nicht vor Exzentrik. Da ich mich selbst schon immer als eine Art Sonderling betrachtet hatte, war mir der zwanglose Umgang mit seiner geschwätzigen Großfamilie leichtgefallen. Meinen Vorgängerinnen aus netten Kleinfamilien mussten sie wohl alle miteinander recht einschüchternd vorgekommen sein, ging mir später auf; das Rauchen, die Lautstärke und die regelmäßigen Ausbrüche von Engländerfeindlichkeit mussten sie abgeschreckt haben. Diese Familientreffen waren immer eine chaotische Angelegenheit. Von meiner allerersten Begegnung mit David an hatte ich gewusst, dass er chronisch impulsiv war, gleichermaßen großzügig wie ichbezogen, und daran gewöhnt, bevorzugt zu werden – jetzt, da ich ihn inmitten seiner Verwandtschaft erlebt hatte, waren mir die Gründe dafür klar.
    Später sollte ich sie ins Herz schließen, die Onkel und Tanten – selbst seine Eltern, vermutlich die Zurückhaltendsten der ganzen Bande, und seine Schwester, die vier Jahre älter war als er, verheiratet, mit drei Kindern, und den Mund nur aufmachte, um noch spöttischer als ihr Bruder zu sein. Eine ganze Familie, und sie nahmen mich ganz unter ihre Fittiche.
    Als wir erst ein paar hundert Meter von Lorraines Haus entfernt waren, blieb David abrupt mitten auf dem vereisten Bürgersteig stehen, wandte sich zu mir um und sah mich so an, als hätte er plötzlich entdeckt, dass er beklaut worden war, und sein Verdacht wäre auf mich gefallen. Ich erwiderte seinen Blick in der Annahme, gleich würde er mir sagen, er habe etwas im Haus vergessen oder bekomme wieder Kreuzschmerzen.
    Er schüttelte ein wenig den Kopf, stiefelte dann weiter die Straße entlang und überließ es mir, in der Kälte hinter ihm herzutrotten. Zu Fuß hatte er immer ein Wahnsinnstempo drauf. Ich holte ihn ein und hakte mich bei ihm unter – er hatte die Hände tief in den Taschen vergraben. Fragend blickte ich von der Seite in sein Gesicht hoch, aber er beachtete mich überhaupt nicht und blieb den ganzen Rückweg über stumm. Als wir in meiner kleinen Zweizimmerwohnung ankamen, zog er nicht mal den Mantel aus. Er sackte auf einen Sessel, während ich uns beiden in der Kochnische Tee machte, ihm immer mal wieder einen Blick zuwarf und mich fragte, was wohl nicht stimmte. Als ich ihm die Tasse reichte, nahm er sie kommentarlos entgegen und trank schweigend. Ich setzte mich mit meiner Tasse auf den Sessel gegenüber und tat es ihm gleich, während ich auf seine Erklärung wartete. Ich nahm an, dass er – so wie sonst – bei mir übernachten würde, doch mit einem Mal stand er auf, brachte die Tasse in die Kochnische und schüttete den Rest in den Ausguss. Er spülte die Tasse aus und stellte sie umgekehrt in die Geschirrablage. Dann kam er zu mir herüber, beugte sich über mich, küsste mich auf den Scheitel – ganz behutsam, wie bei einem Kind – und ging.
    Bis dahin hatten wir fast täglich miteinander gesprochen, aber danach sollte ich zwei Wochen lang nichts mehr von ihm hören.
    Meine Mutter war strikt gegen meine Spaziergänge auf den Klippen. »Felsen bröckeln«, behauptete sie, was

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