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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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immer so weiter. Es gibt eine Million andere Männer wie ihn auf dieser Welt. Es ist absurd, ihn zu etwas Besonderem zu machen: Was weißt du schon von ihm, außer dass er witzige Sprüche klopfen kann und fickt wie ein Schnellzug? Na und?
    Er fasste mir gern mit den Händen ins Haar, wenn wir miteinander schliefen, und hielt meinen Kopf fest, um mir in die Augen sehen zu können. »Gib dich mir hin«, stieß er einmal leidenschaftlich hervor, und ich schaute verblüfft zu ihm hoch – wir schliefen miteinander, was tat ich denn anderes? Er konnte es nicht leiden, wenn er den Eindruck hatte, ich würde etwas vor ihm zurückhalten.
    Manchmal verabscheute ich ihn auch – manchmal brachte er mich auf die Palme; oft sogar. Ich konnte es nicht leiden, wie abrupt er ein Telefonat beenden konnte, wenn ihm einfiel, dass bei ihm etwas anderes anstand. »Hör mal, ich ruf dich gleich zurück«, sagte er dann, fast mitten im Satz, und legte auf. Wenn er viel um die Ohren hatte, konnte sein »gleich« durchaus etliche Tage bedeuten. Ich hielt ihm das einmal vor. Da wurde er wütend. Über meine Exfreunde wollte er nichts wissen. Das machte ihn auch wütend. Verärgert wechselte er das Thema und grummelte ununterbrochen die nächsten ein, zwei Stunden – aber lieber wäre er gestorben, als zuzugeben, dass er eifersüchtig war. Einmal erwischte ich ihn in dieser ersten Zeit mit meinem Handy, wie er mit dem Daumen auf Knöpfe drückte.
    »Was machst du da?«, fragte ich.
    »Ich schau nur nach, was für Klingeltöne du hast«, antwortete er. »Den einen benutzt du schon ewig.« Kurz bevor er sich abwandte, sah ich, dass er mein Anrufprotokoll überflog. Ich hätte alarmiert oder gekränkt sein sollen – hätte irgendeiner meiner früheren Freunde so etwas gemacht, ich wäre ausgerastet –, war aber stattdessen zu meiner eigenen Bestürzung erfreut, geschmeichelt.
    Er hatte sehr gute Tischmanieren – für einen großen Mann waren seine Bewegungen überraschend sparsam und adrett. Er besaß eine ganz spezielle Anmut. Nie sah ich, dass er etwas fallen ließ oder über etwas stolperte, während ich ständig beides tat. Er hatte keine körperlichen Ticks oder Manierismen, die mir aufgefallen wären, und zog mich gnadenlos auf, wenn ich das Haar zurückwarf. Er bewegte sich nur, wenn es mit einem Zweck verbunden war, doch unter dieser scheinbaren Ruhe lauerte etwas wie gebündelte Energie. Er stellte ständig Fragen. Nie sah ich ihn gelangweilt.
    Er war nur zur Hälfte Waliser, mütterlicherseits, doch was seine persönliche Mythenbildung anging, überragte es bei Weitem die andere Hälfte. Aufgewachsen war er in einem Küstenstädtchen unweit von Aberystwyth, aber seine Familie war nach Eastley umgezogen, als er dreizehn war, wo er jedes Mal in Prügeleien mit englischen Jungs geriet, wenn er nur den Mund aufmachte. Sein leichter Akzent machte sich stärker bemerkbar, wenn er wütend wurde oder sich angegriffen fühlte. Er interessierte sich für Fußballspiele der Walisischen Liga, für Rugby allerdings nicht. Er zog mich auf, wegen meines Hochenglischs würde ich mich wohl für was Besseres halten, was mich ärgerte, weil in seiner Kindheit deutlich mehr Geld flüssig gewesen war als in meiner.
    Wenn er mit den Gedanken woanders war, hatte es keinen Sinn, um seine Aufmerksamkeit zu buhlen. »Ich bin sachorientiert«, erklärte er hochtrabend, als ich ihm das vorwarf. Damals waren wir gerade im Bett. Ich stöhnte laut und zog mir ein Kissen über das Gesicht. »Was?«, sagte er. »Was?«
    Kurz bevor er zum Orgasmus kam, fluchte er ausgiebig, was ich komisch fand, auch wenn ich mich hütete, ihm das zu sagen.
    »Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, dass die Familie eines Jungen dich mag, gibt’s nur eins«, hatte meine Mutter mir gesagt, als ich noch ein schlaksiger Teenie gewesen war, »dich vergewissern, dass sie die Freundin vor dir nicht mochten.« Damals wurde ihr Gesicht ausdrucksloser, die Muskeln immer schlaffer, ihre Aussprache undeutlicher. Sie starrte sehr viel vor sich hin, blinzelte kaum. Ich musste mir in Erinnerung rufen, wie lebhaft ihre Mimik früher gewesen war, wenn sie sprach, und mir zu ihrem Gebaren einen Schuss Bewegtheit, zu ihren Worten etwas Lautstärke, ein Lächeln dazudenken.
    Ich war eingeladen, Davids Familie bei einem großen Treffen zur Feier des siebzigsten Geburtstags seiner Lieblingstante Lorraine kennenzulernen. David hatte nur eine Schwester, aber eine unerschöpfliche Menge an Tanten,

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