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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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Onkeln, Vettern und Kusinen, die lange vor der Ankunft seiner Familie eine feste walisische Enklave in Eastley errichtet hatten. Es war Winter, wir trafen nach Einbruch der Dunkelheit ein, bei milden Graupelschauern. Die Welt sah gut aus, fühlte sich aber fies an. Wir standen seit Minuten vor der Haustür und hatten schon mehrmals geklingelt, eng aneinandergekuschelt unter dem gelben Vordachlicht. Aus dem Erkerfenster des Wohnzimmers vorne drang laut wummernde Musik, aber die Vorhänge waren zugezogen. David sagte, wenn in der nächsten Minute keiner aufmachte, würde er gegen das Fenster hämmern, und wenn er dabei ein Blumenbeet zertrampeln müsste.
    In dem Moment riss Tante Lorraine die Tür mit den Worten auf: »Ja, ja, ich komm ja schon …« Als sie sah, dass wir es waren, wich sie kurz zurück, um uns gründlich in Augenschein zu nehmen. Nach einmaligem Nicken beugte sie sich vor und flüsterte: »Du passt prima«, ehe sie mich am Arm fasste und reinzog.
    Dann verkündete sie, an David gewandt, der noch auf der Schwelle stand: »Aber du kannst Leine ziehen, Junge!«, und warf ihm die Tür vor der Nase zu. Weil ich seinen Gesichtsausdruck sah, kurz bevor die Tür ins Schloss fiel, erriet ich, dass es sich um einen bis zum Gehtnichtmehr wiederholten Scherz handelte, den er schauderhaft fand. Ich hingegen hatte im Pub vor unserer Ankunft einen großen Gin Tonic auf leeren Magen getrunken und fand es ziemlich komisch – verrückt, aber komisch.
    Lorraine hatte ihren Flur mit Luftschlangen aus Alufolie dekoriert. Sie war eine stattliche Frau in Beige, deren Gesicht ein strahlendes Lächeln belebte. Aufgekratzt gackernd, stupste sie mich am Arm. Ich hörte fröhliches Lachen von oben und schaute auf, um einen Onkel die Treppe herabkommen zu sehen, der unter »Ho, ho, ho«-Rufen à la Weihnachtsmann den Reißverschluss seiner Hose schloss. Lorraine hakte sich bei mir unter und zog mich, während sie David vor der Tür stehen ließ, in das vor Leuten, Lärm und Zigarettenrauch überquellende Wohnzimmer. Sie riss die Tür weit auf und schubste mich mitten in die Ansammlung bunter Luftballons und neugieriger Gesichter, hinter denen Möbel und Nippes verblassten. »Hier ist sie!«, übertönte Lorraine die Musik.
    Noch bevor ich den Mund aufmachen konnte, stürzte sich eine andere Tante auf mich. »Ooh, lass dich ansehen, Mädel, was haben wir da alle drauf gewartet!« Ich spürte, wie ihre Finger an meinem Mantelärmel zupften. »Na, ich muss schon sagen, du bist eindeutig eine Verbesserung.« Sie beugte sich zu mir vor. Ihr Atem roch nach sauren Gurken. »Hat nichts als Synthetik getragen, die Vorige.«
    David war an meiner Seite. Er sah nicht belustigt aus. »Lasst sie doch erst mal in Ruhe den Mantel ausziehen«, grummelte er.
    Jemand drückte mir einen Drink in die Hand. »Probier mal die Bowle hier. Schmeckt scheußlich.«
    David nahm mir das Glas ab und sagte mir ins Ohr: »Ab in die Küche. Sofort.«
    In der Küche drehte er sich zu mir um und sagte trocken: »Gott, sie kommen von Mal zu Mal näher an eine miese Vorabendserie ran, aber hey, du bist der Hit, noch bevor du überhaupt den Mund aufgemacht hast.« Damit zerrte er an der Kühlschranktür, die sich erst widersetzte, ehe sie nachgab. Er holte eine Flasche Wein heraus.
    »Was hat ihnen an meiner Vorgängerin nicht gepasst?«, fragte ich genauso trocken, während ich aus dem Mantel schlüpfte, mich nach einem Garderobenhaken umsah und ihn über die Rückenlehne eines Küchenstuhls legte. Wir waren seit drei Monaten zusammen – ich hatte eben erst angefangen, in Monaten anstatt in Wochen zu zählen. Ich hätte gern den spöttischen Ton ihm gegenüber abgelegt. Warum frotzelten wir zu zweit immer noch herum – vor anderen, okay, aber unter uns? Wann durfte ich aufhören, so zu tun, als empfände ich weniger für ihn, als es tatsächlich der Fall war? Wann würde das Signal dazu von ihm ausgehen, und woran würde ich es erkennen?
    Er verdrehte die Augen. »Sie war Buchhalterin. Mit so einer Stimme …« Mit zugehaltener Nase gab er ein Näseln von sich.
    »Hochnäsige Schnepfe«, sagte Lorraine, als sie mit einer ovalen blauen Platte in die Küche gepoltert kam, leer bis auf ein paar Blätterteigflocken. »Was haben wir für Ängste ausgestanden, unser David würde sie heiraten.« Sie sprach seinen Namen auf Walisisch aus, Dav-ied . Dann stellte sie den Servierteller ins Spülbecken, ganz oben auf den Stapel, der schon darin lag, und griff sich einen

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