Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
Luft. Mrs. James kommt mit leicht gerunzelter Stirn nach unten, meinen Mantel über einem Arm – auffällig dunkellila mit einer Krause, das eleganteste und teuerste Stück in meiner Garderobe.
»Sehr sonderbar, meine Liebe«, sagt Mrs. James, als sie ihn mir reicht. »Die großen Mädchen müssen damit gespielt haben. Er war oben im Badezimmer. Da ist was drauf.«
Sie hält ihn mir hin, und ich nehme den Mantel, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Das macht bestimmt nichts. Richten Sie bitte Sally aus, Sie wissen schon.«
»Ja, keine Sorge, ich richte es ihr aus.«
Ich schlüpfe aus der Haustür, den Mantel noch in der Hand. Behutsam schließt Mrs. James die Tür hinter mir. Erst als ich den Mantel anziehe und zuknöpfe, sehe ich, was sie meint: Einmal längs über die ganze Vorderseite zieht sich eine Schliere aus Bleiche oder einem anderen ätzenden Reinigungsmittel, das sich durch die oberste Stoffschicht gefressen hat. Der Mantel ist ruiniert. Ich schüttele den Kopf und halte das Gesicht in den Regen. Er fühlt sich kalt an, gut. Weil ich all die verschiedenen Puzzleteile dieses sonderbaren Vormittags nicht zusammensetzen kann, komme ich zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich an mir liegen muss – ich bin das Problem, wie ich da im Regen stehe.
6
Ein paar Tage nach Willows Beerdigung kommt Toni wieder vorbei. Weil es kein Kindergartentag von Rees ist, spielt er im Wohnzimmer, wo er alle Sitzkissen vom Sofa und von den Sesseln gezogen und sie zu einem wackligen Turm aufeinandergestapelt hat. Er sagt, er baue einen Hubschrauber. Toni und ich lassen ihn machen und gehen in die Küche, aber sie lehnt den üblichen Tee ab und fragt: »Hätten Sie was dagegen, wenn wir in den Garten gehen, damit ich eine Zigarette rauchen kann?« Das schmeichelt mir, denn ich nehme an, dass sie im Dienst nicht rauchen soll, und deute die Frage, ob sie es in meinem Garten darf, als Zeichen, dass sie mich mag und mir vertraut. Aus unerfindlichen Gründen will ich, dass sie mich mag. Und zwar mehr als alle anderen leidtragenden Hinterbliebenen, mit denen sie je zu tun hatte. Ich habe das Gefühl, mit ihnen zu konkurrieren.
»Nicht, wenn Sie mir eine abgeben«, sage ich. Toni verzieht keine Miene.
»Gut, dass Sie es zu Sally geschafft haben«, sagt sie, während wir uns auf das Mäuerchen am Ende meines Gartens setzen.
»Das war sicher nicht leicht für Sie, aber Sally und Stephen wussten es garantiert zu schätzen.«
»Sind Sie auch deren Vertrauensbeamtin?«, frage ich.
Toni nickt, und mich durchzuckt es schmerzlich. Mir gefällt die Vorstellung nicht, wie sie in Sallys makelloser Küche sitzt und mit ihr mitfühlt. Na ja, wenigstens wird sie dort eine anständige Tasse Kaffee bekommen. Von hier aus kann ich bis ins Wohnzimmer sehen, wo Rees immer wieder mit hocherhobenen Armen vom kahlen Sofagestell springt, Flugversuche unternimmt. Toni reicht mir eine Zigarette, beugt sich dann vor, um mir Feuer zu geben – ihr Feuerzeug ist ein Flammenwerfer, doch der kalte Windhauch bläst es immer wieder aus, und nach drei Versuchen sage ich: »Zünden Sie erst Ihre an, dann halte ich meine dran.« Nachdem ich es so gemacht habe, puste ich Rauch aus und frage: »Woher wissen Sie, dass ich da war?«, ehe ich einen Hustenanfall kriege, weil ich zu stark auf Lunge gezogen habe.
»David hat es mir gesagt. Alles in Ordnung?«
Ich huste, bis ich lila anlaufe. »Ja, ja, schon gut. Früher als Studentin hab ich geraucht, dann jahrelang nicht mehr. David war strikt dagegen. Nach unserer Trennung hab ich wieder damit angefangen, hauptsächlich, um ihm eins auszuwischen, bis ich gemerkt hab, dass es eine doch eher sinnlose Geste war, und es wieder aufgab.«
»Soll ich Ihnen auf den Rücken klopfen?«
Ich schüttele den Kopf. »Reden Sie und David viel über mich?«
»Natürlich. Ich kenne die Männer. Es fällt ihnen leichter, über jemand anderen als über sich selbst zu reden oder sich über andere Sachen Sorgen zu machen, wie, na ja, ich weiß auch nicht. Sie wissen ja, wie manche Männer sich in puncto Problemlösung verhalten.«
»Und ich bin das Problem.«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Lösungsorientiert.«
»So kann man es auch sagen.«
»Früher hab ich gedacht – das klingt jetzt ein bisschen komisch −, aber manchmal, als wir noch zusammen waren, hab ich zu David gesagt, er hätte Kripobeamter werden sollen. Er hat sich ständig so auf irgendwas konzentriert, das hat mich wahnsinnig gemacht.« Ich huste wieder.
Weitere Kostenlose Bücher