Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
sie mögen, weil wir alle zusammen in diesem Club waren, dem Elternclub. Sally, mit der hab ich nicht das kleinste bisschen gemeinsam. Sie ist eine von diesen Ganzheitsfanatikerinnen. Sie steht auf Delphine, innere Erleuchtung, und dann diese bescheuerten Namen, die sie ihren Kindern gegeben hat. Immerzu versucht sie, mich zu irgendwelchen Elterninitiativen in der Schule zu bewegen dazu, in sämtliche Gremien einzutreten, in denen sie sitzt, oder AG s zu leiten. Als ich mit Rees Stillprobleme hatte, hat sie sich erboten, vorbeizukommen und mir bei den Versuchen Händchen zu halten. Ich ertrage sie nicht. Jetzt wird jeder denken, wir müssten ein Herz und eine Seele sein. Sie werden erwarten, dass wir wie Schwestern werden. Ich wette, sie macht alles richtig, verhält sich total würdevoll, lässt sich von anderen trösten und erzählen, Willow werde immer bei ihr sein und wolle, dass sie heiter ist. Was nicht stimmt. Betty ist für immer fortgegangen, und jetzt auch Willow. Sie haben aus der Welt keinen besseren Ort gemacht. Sie haben nicht unser aller Leben mit ihrer Liebe und Unschuld bereichert. Sie sind einfach fort .«
Tonis Stimme wird sehr sanft, was ich als Anzeichen einer Ermahnung deute. »Meinen Sie nicht, Sie könnten sich der gleichen harschen Beurteilung von ihr schuldig machen, wie Sie sie bei anderen Leuten sich selbst gegenüber vermuten?«
»Ich hab’s nur satt, am laufenden Band beobachtet zu werden. Deshalb fühlt es sich so gut an, nachts wach zu sein. Im Dunkeln. Zu wissen, dass sie alle schlafen. Zu wissen, dass sie in den paar Stunden aufhören, mich zu beobachten.«
Wieder kommt ein langes Schweigen auf. »Laura, Sie müssen entschuldigen, aber haben Sie irgendwie daran gedacht, sich etwas anzutun? Sie verstehen doch, warum ich Sie das fragen muss, nicht wahr?«
Natürlich muss sie das fragen – die sture, selbstsüchtige Laura, deren Trauer sie noch sturer und selbstsüchtiger gemacht hat und die sämtliche Therapieangebote ablehnt. Ich habe nicht einmal die Flyer und Broschüren gelesen, die mir die Trauerberaterin nach unserem einzigen kurzen und aus ihrer Sicht völlig unzureichenden Wortwechsel im Krankenhaus gegeben hat. Arme Toni. Sie hat sich eine Doppelschicht aufgehalst, als ich ihr zugeteilt wurde.
»Fällt die Sorgfaltspflicht auch in Ihren Aufgabenbereich?«, frage ich. »Sie Ärmste.«
Sie lächelt. »Nein, genau genommen nicht. Ich frage nur.«
Ich schaue nach unten. Die Zigarette, die ich so achtlos weggeworfen habe, liegt im strubbeligen Wintergras, noch mit glühender Spitze. Ich trete sie aus. »Wer war der Rechtsmediziner? Der Betty untersucht hat?«
Sie stockt. »David Bradley.«
»Den kenne ich.«
Durchs Fenster sehen wir Rees allein im Wohnzimmer stehen und sich umschauen. Er hat seinen Hubschrauber aus Sitzkissen satt und fragt sich, wo ich bin. Jetzt wird er gleich rausgelaufen kommen und etwas verlangen. Normalerweise sagt er: »Ich hab Hunger«, wenn er »Ich will beachtet werden« meint, aber schon während er seine Forderung ausspricht, überzeugt ihn das davon, dass er tatsächlich hungrig ist, und er wird wütend, wenn er nichts anderes als Beachtung bekommt. Diese kleinen Wutanfälle treten nicht gehäufter auf, seit Betty fort ist, äußern sich aber heftiger. Mir schwant, dass ich für meine heimliche Zigarette im Garten büßen muss.
Ich stehe auf. Toni auch. »Möchten Sie, dass ich Sie begleite?«, fragt sie.
Ich schüttele den Kopf. »Ich kenne ihn«, wiederhole ich. »Glauben Sie, dass es eine gute Idee ist?«
Sie nickt. Sie weiß, was ich meine. Zum ersten Mal kann ich mir vorstellen, auf Abstand von der verfinsternden Tatsache zu gehen, dass Betty fort ist, um die Bestandteile einzeln zu untersuchen. »Immer eins nach dem anderen, aber die Informationen liegen alle vor, wenn Sie sie brauchen. Ich kann jederzeit mit Ihnen reden, über all das andere.«
All das andere interessiert mich nicht. Ich will nicht wissen, was eine Trostgruppe ist oder warum Fremde aus unerfindlichen Gründen offenbar auf einmal so versessen darauf sind, sich an dem zu bereichern, was mir und meiner Tochter passiert ist.
»Und noch etwas sollten Sie sich durch den Kopf gehen lassen …« Ich werfe ihr einen Blick zu, während wir zum Haus zurückgehen. »Ich glaube halt«, fährt sie fort, »na ja, ich weiß, dass Sie und David geschieden sind und dass Sie einander natürlich nicht genauso viel Halt geben können, als wären Sie noch verheiratet, aber
Weitere Kostenlose Bücher