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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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Ziel?«
    »Genau die«, sagte sein Nachfolger genüsslich. »Detective Inspector Jane Waterhouse. Meine Schwester.«
    Nachdem Debbie Farrow den Pub wieder verlassen hatte, irrte sie aufgewühlt durch die Innenstadt. Was Oliver ihr erzählt hatte, war schockierend gewesen. Jetzt, da sie wusste, dass das furchtbare Leiden ihres Kindes zu verhindern gewesen wäre, schien ihr Herz endgültig zu zerreißen. Gleichzeitig spürte sie, wie ein dumpfes Rachegefühl in ihr wuchs, stark wie ein Baum, der in rasender Geschwindigkeit neue Äste hervorbrachte.
    Ihre Entschlossenheit wuchs. Sie würde den Mörder ihres Kindes vor Gericht bringen. Und sie wollte ihm dabei ins Gesicht sehen, wenn er erfuhr, dass sie die Wahrheit wusste.
    »Hallo Debbie«, sagte plötzlich eine freundliche Stimme neben ihr.
    Es war Mrs. Bloom. Sie stand neben der verbeulten Tür eines uralten roten Ford, in der Hand ein verschnürtes Paket. Offensichtlich hatte sie gerade eingeparkt, jedenfalls zog sie mit der freien Hand ihren Autoschlüssel aus dem Schloss und schaute Debbie dabei freundlich an.
    »Äh … Hallo Mrs. Bloom«, antwortete Debbie schnell. »Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«
    »Du kommst ja auch nur selten bei mir im Laden vorbei. Geht’s dir gut?«
    »Danke, alles okay.«
    Debbie musste sich sehr zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen und ihr die Wahrheit zu sagen. Sie zeigte auf Mrs. Blooms Paket. »Kann ich Ihnen was abnehmen?«
    »Geht schon. Sind nur ein paar Kartons Tee drin. Adrian Fletcher vom Ceylon Tea Room hat heute Morgen gejammert, dass ihm der Darjeeling ausgegangen ist.«
    »Oh ja! Das kann Adrian gut, jammern«, stimmte Debbie ihr zu. »In den Ferien habe ich mal bei ihm gejobbt. Er ist der größte Geizhals, den man sich vorstellen kann.«
    »Wir sind eben eine Insel voller Individualisten«, meinte Mrs. Bloom humorvoll. »Da kommen alle Varianten reichlich vor. Gehst du ein Stück mit?«
    »Gerne. Ich muss zurück zur King Street.«
    Sie gingen los.
    Schon auf den ersten Blick konnte man Mrs. Bloom ansehen, dass sie eine herzliche und bodenständige Lady vom Land war. Sie war zwar schon fünfzig, hatte aber auffallend lebhafte, jung gebliebene Augen. Ihre dunkelblonden Haare hielt sie mit einem schicken braun marmorierten Reif in Form, sodass sie auf interessante Weise damenhaft und gleichzeitig burschikos aussah. Ihr sympathisches Gesicht, dessen unverblühte Schönheit durch ein paar Fältchen nur noch interessanter geworden war, ließ allerdings auch ahnen, wie willensstark Mrs. Bloom sein konnte. Die paar kleinen Pfunde zu viel, die sich unter ihrem weißen Pulli und der blauen Windjacke andeuteten, zeigten ihren einzigen Schwachpunkt. Mrs. Bloom kochte für ihr Leben gern.
    Sie war zweifellos eine höchst eigenwillige Persönlichkeit. So hatte sich Debbie früher immer die kluge und witzige Lehrerin aus ihren Internatsbüchern vorgestellt, eine in die Jahre gekommene Mary Poppins, die einem aus der Patsche half.
    Niemand, der Mrs. Bloom näher kannte – und Debbie war seit ihrer Kindheit oft bei ihr in dem winzigen, bewusst traditionell eingerichteten Teeladen gewesen –, konnte sich ihrer warmherzigen und humorvollen Art entziehen.
    Wenn man Mrs. Bloom etwas erzählte – während sie nach der ungeliebten Lesebrille griff, den Tee abwog und auf den silberfarbenen Tüten handschriftlich die Teemischung notierte –, hörte sie mit geduldiger Aufmerksamkeit zu. Doch dann überraschte sie mit geschickten Zwischenfragen, verblüffenden Schlussfolgerungen und wohltuend pragmatischen Ratschlägen. Man fühlte sich auf angenehme Weise durchschaut. Wie Mrs. Bloom das machte, wusste Debbie bis heute nicht, wahrscheinlich hatte sie einfach nur eine Menge Lebenserfahrung. Vor allem aber vergaß sie nie etwas, was man ihr einmal erzählt hatte, wirklich gar nichts, nicht einmal Winzigkeiten. In diesem Punkt war sie wie ein lebendes Archiv. Vielleicht erschien sie Debbie deshalb auch immer ein bisschen geheimnisvoll.
    »Irgendwie siehst du blass aus«, stellte Mrs. Bloom mit kritischem Seitenblick fest, während sie in die Mulcaster Street einbogen. »Hast du was?«
    »Ach, nur ein bisschen privaten Ärger …« Debbie versuchte ein kleines Lachen. »Sie merken aber auch alles.«
    »Das hat deine Mutter auch immer gesagt …« Mrs. Bloom und Debbies Mutter hatten sich in der Jugend gut gekannt, draußen auf dem Land, wo selbst heute noch der unverwechselbare Geruch nach vraic über den Wiesen hing. Vraic war

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