Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
so viel Netz ein wie nur möglich, damit wir nicht darübergerieten und die Leinen sich verhedderten. Axel fluchte auf Schwedisch, holte die Lachse aus dem Netz und warf sie überallhin, nur nicht über Bord.
Wir wussten beide, dass uns der Wind auf die felsige Küste zutrieb, die nur ein paar Hundert Meter hinter uns lag und die wir weder sehen noch in dem heulenden Wind hören konnten. Regen und Gischt schlugen uns fast waagerecht in die Gesichter. Das Boot stürzte in die Tiefe und schlug gegen die nächste Woge. Wasser krachte über die Seiten, schwappte uns über die Füße, und je träger das Boot wurde, desto mehr kam über die Seiten.
Axel lief, um die Pumpe anzuwerfen, und versuchte, das Boot so zu manövrieren, dass ich das Netz besser an Bord bekam und wir gleichzeitig nicht so schnell auf die Küste zutrieben. Ich blieb allein, voller Angst, mit dem Netz über Bord gespült zu werden, wollte es aber auch nicht loslassen, da es mich gleichzeitig vor der nächsten Welle schützte, die mich ebenfalls über Bord gehen lassen konnte. Dann war Axel wieder da, half, das Netz einzuholen, und versuchte, mittels der unter dem Bugrand angebrachten Hilfssteuerung zu navigieren. Ich zog und zog Netz und Fisch auf einen großen, wilden Haufen auf Deck. Es kam mir vor, als kämpften wir über Stunden gegen die schäumenden Hengste.
Endlich war auch das letzte Stück Netz eingeholt. Wir wussten nicht, wie nahe wir an die Küste getrieben worden waren. Axel humpelte nach hinten, gab Gas und steuerte mithilfe des Kompasses von der Küste weg.
Ich fiel mit bebender Brust auf das nasse Netz und sah hoch ins schwarze Nichts, aus dem mir Wasser ins Gesicht spritzte. Das Boot bockte und ächzte durch die Wogen, doch ich war zu erschöpft, um mich daran zu stören. Ich lag einfach nur da, auf dem nach Seetang riechenden Netz, von sterbenden, zuckenden Lachsen umgeben, und starrte ins nasse, schwarze Nichts. Völlig erschöpft. Voller Glück, noch am Leben zu sein.
Eine Schlacht zu gewinnen, fühlt sich ähnlich an. Nur dass man sich hinterher nicht auf ein Netz fallen lassen kann, vierzehnjährig und mit einem Großvater, der sich um einen kümmert. Direkt nach einem Sieg gilt es, sofort wieder in Verteidigungsstellung zu gehen, weil es immer zu einem Gegenangriff kommen kann. Und es sind auch keine Lachse, die um einen herum sterben.
Das Töten im Krieg findet nicht immer in einer moralisch sauberen »Entweder sie oder ich«-Situation statt, wie wir es so oft hören und wie ich sie beschrieben habe. Im Gegenteil, je weiter die technische Entwicklung voranschreitet, desto weniger üblich wird diese Situation und desto problematischer die moralische Seite. In Zukunft wird es immer öfter so sein, dass sich der Soldat in deutlicher Entfernung von den Tötungen befindet, die sie oder er vornimmt. Das eigene Leben gerät dabei nicht in Gefahr. Ich habe selbst nie auf diese Weise getötet, allerdings aus der Luft und deshalb doch eine Ahnung davon, wobei ich die von mir angerichteten Schäden noch sehen konnte, im Unterschied zur Besatzung einer B- 52 oder eines U-Boots.
Später in meinem Einsatz, nachdem ich zweimal verwundet worden war, kam ich als Luftbeobachter zu einer Aufklärungseinheit der Division. Ein fünf Mann starker Marine-Spähtrupp war von einer NVA -Einheit in den Bergen an der Grenze nach Laos entdeckt worden, direkt südlich von Khe Sanh. Im darauffolgenden Gefecht wurde einer der fünf schwer verwundet, und nun versuchte das Team verzweifelt zu entkommen, wurde aber behindert, weil sie den verwundeten Kameraden tragen mussten. Die Marines waren gute zwanzig Kilometer von der nächsten befreundeten Einheit entfernt und außerhalb der Reichweite unserer Artillerie. Wir, mein Pilot und ich, waren gerade mit unserem einmotorigen O 1 -Charlie-Aufklärungsflugzeug in der Luft und wurden von der Division umgeleitet, um den Hilferuf des Teams zu beantworten.
Wir nahmen Kontakt auf, und ich dirigierte die Marines auf eine Lichtung auf einer Anhöhe, die ich entdeckt hatte. Wir wollten versuchen, einen Hubschrauber zu bekommen, um sie von dort abzuholen. Das Team kam mit dem verwundeten Kameraden auf den verschlammten Hängen aber nur langsam voran, darüber hinaus mussten sie immer wieder anhalten, um die Verfolger unter Feuer zu nehmen. Kaum waren sie ein Stück vorangekommen, mussten sie sich schon wieder umdrehen und kämpfen. Wir konnten nur ein paar A- 4 -Kampfflugzeuge [7] aus Da Nang anfordern, das fast
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