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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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der die beiden verschwunden sind. Zwei Granaten kommen aus unsichtbarer Hand zurückgeflogen und explodieren um das Loch herum. Wieder werfen er und sein Freund eine Granate, wieder kommen zwei zurück. Der Ablauf wiederholt sich. Eine der Granaten tötet seinen Freund und versetzt meinen Sohn in einen Schockzustand, sein Gesicht ist voller Blut. Jetzt ist er ganz allein. Das Loch zu verlassen, heißt zu sterben. Im Loch zu bleiben, ebenfalls. Der Tod fängt ihn in einem Drecksloch Hunderte von Kilometern von seiner Familie entfernt, und er hat nie eine Frau geliebt, wird nie die Freuden und Widrigkeiten einer eigenen Familie erleben. Und dann ist dort der Feind, liegt völlig ungedeckt unter dem Loch, das Gewehr im Anschlag, und seine braunen Augen sehen ihn über den Lauf hinweg an, die Augen sind die einzige lebende Farbe in einem Gesicht, das nichts als eine blasse, erd- und rußverschmierte Maske ist, Furcht einflößend, erschöpft und kampfbereit.
    »Wirf die Granate! Versuch, dich zu retten, Peter!« Aber zwei Gewehre spucken weiß-oranges Licht. Peter ist tot … mein Sohn.
    Was ich jetzt fühle? Traurigkeit und Kummer über das Böse in der Welt, zu dem auch ich beigetragen habe.
    Der Unterschied zwischen damals und heute liegt schlicht im Einfühlungsvermögen. Heute kann ich mir die Zeit nehmen und habe den Wunsch, emotional zu verarbeiten, was ich einem anderen Menschen angetan habe, der in vielerlei Hinsicht wie mein eigener Sohn war. Damals habe ich mithilfe eines psychologischen Mechanismus funktioniert, der es mir erlaubte, diesen Teenager als den »Feind« zu betrachten. Ich habe ihn getötet, oder es war Ohio, und daraufhin machten wir einfach weiter. Ich bezweifle, dass ich ihn hätte töten können, wenn ich meinen eigenen Sohn in ihm gesehen hätte. Das hätte ich nicht geschafft. Was mit großer Wahrscheinlichkeit zu meinem eigenen Tod oder dem Tod meiner mir anvertrauten Untergebenen geführt hätte. Aber es kam zu einem Riss, der danach rief, geheilt zu werden.
    Mein Problem war, dass mir das jahrelang nicht bewusst gewesen ist, obwohl dieser Riss geheilt werden musste. Bei meiner Rückkehr gab es niemanden, der mich darauf aufmerksam gemacht hätte. Die dunklen Augen des Jungen starrten mich zu den merkwürdigsten Zeiten und Gegebenheiten an. Ich fuhr nachts mit dem Auto, und sein Gesicht erschien auf der Windschutzscheibe. Ich besprach etwas bei der Arbeit, plötzlich überwältigte mich das zornige Zähneblecken des Jungen, worauf ich mein Gespräch kaum mehr fortführen konnte. Zudem war ich unfähig, jemandem von dem, was da in mir vorging, zu erzählen, und so bekämpfte ich die Bilder in mir über Jahre. Ich begann, diesen Riss in mir erst richtig in mein Bewusstsein zu übernehmen, als ich tatsächlich anfing, mir diesen Jungen als meinen eigenen Sohn vorzustellen. Daraus entstand eine überwältigende Traurigkeit – und ein Heilungsprozess. Die Traurigkeit, den Zorn und all die anderen beschriebenen Gefühle mit den jeweiligen Taten zu verbinden, sollte für alle Soldaten, die jemanden von Angesicht zu Angesicht getötet haben, zum Standard werden. Dazu ist keine komplizierte psychologische Ausbildung nötig. Bildet eine Gruppe um einen Kameraden, der ein paar Tage Training in Gruppenführung hatte, und ermutigt euch gegenseitig zu reden.
    Mit dem Töten sind noch andere Gefühle verbunden. Bei diesem speziellen Angriff hatten der Bataillonsstab und eine in Reserve gehaltene Kompanie auf einer Anhöhe einen Kilometer östlich von uns Stellung bezogen. Normalerweise wurde ich, wenn ich bei einem Angriff den ersten Marine durch die letzte Verteidigungslinie brechen sah, was ich nur dreimal direkt erlebte, von einem wundervollen Gefühl erfüllt, einer explosionsartigen Erleichterung und wilden Freude, die mich losrennen sehen wollte. Wir hatten gewonnen! Wir waren in Sicherheit! Der Organismus, wir, ich, wir würden auch morgen noch existieren. Aber diesmal wurden wir beobachtet, und als wir endlich über den Gipfel stürmten, hörten wir den Jubel aus dem Hauptquartier des Bataillons und von der die Bataillonsführung umgebenden, sie schützenden Kompanie.
    Ich hätte vor Wut platzen können.
    Das scheint komisch, hatte ich doch selbst nur Augenblicke zuvor noch diese wilde Freude empfunden. Ich glaube, die Wut rührte aus dem Umstand, dass
wir
den Preis für diesen Sieg bezahlt hatten, nicht die da drüben, und dieser Preis war hoch gewesen. Unser menschliches Opfer war zu einem

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