Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
ein Gefecht, was sie geladen haben. Nachdem ich mich entschieden hätte, Teil der Situation zu sein, könnte ich auch heute nicht plötzlich sagen, dass sich das Team opfern solle, weil ich zu große Bedenken gegen den Einsatz von Napalm habe. Ich würde meine Kameraden auch heute nicht im Stich lassen, sondern ganz und gar auf ihrer Seite stehen. Ich glaube nicht daran, dass es etwas bringt, während eines Kampfes auf Leben und Tod plötzlich Grundsatzfragen zu stellen. Aber ich würde zweifellos nicht so erregte Funksprüche absetzen und nicht von Crispy Critters reden. Ich hoffe, ich würde den Schmerz und das Leiden meines Feindes respektieren.
Hätte ich damals dort oben im Flugzeug so ein Mitgefühl entwickeln können? Es ist unwahrscheinlich. Empathie entsteht über die Jahre, und die meisten Kämpfer sind sehr jung. Deshalb müssen Politiker und Generäle sich selbst als die Täter sehen, die Soldaten als
ihre Waffen
betrachten und sie mit Bedacht und Besinnung einsetzen. Idealerweise würde ich heute hoffen, trotz all des Adrenalins von einer schrecklichen Traurigkeit erfüllt zu werden, wenn ich all diese Menschen niederbrennen müsste. Aber ich würde sie niederbrennen.
Die ideale Reaktion auf das Töten im Krieg sollte eine respektvolle Trauer sein, ähnlich wie beim Töten, um jemanden von seinen Leiden zu befreien. Vor ein paar Jahren fand ich eine kranke Möwe am Strand. Hunde bedrängten sie, beide Flügel waren gebrochen, und doch verteidigte sie sich tapfer mit dem Schnabel, um die bellenden Hunde auf Abstand zu halten. Leute gingen vorbei und sahen weg. Ich verjagte die Hunde und brach dem Vogel das Genick. Erleichterung empfand ich dabei nicht, nur Bedauern darüber, dass es zu dieser Situation gekommen war, und ich stellte mir wehmütig die Frage: »Warum ich, lieber Gott?«, als ich getan hatte, was niemand sonst tun wollte.
Als mein Deutscher Schäferhund Sancho alt geworden war, wollte er plötzlich die Veranda vor unserem Haus verteidigen. Meine Kinder brachten ihre kleinen Freunde mit zu uns, die schon mal über ihn stolperten, das war nie ein Problem gewesen, aber jetzt fuhr er hoch, knurrte und schnappte nach ihnen. So hatte er sich Kindern gegenüber nie verhalten. (Ich kann es bezeugen.) Eines Tages knurrte er und schnappte nach einem Dreijährigen, der aus dem Auto steigen wollte. Die Mutter rastete aus, packte ihr Kind und knallte die Tür zu. Später rief sie an und sagte, sie werde nicht mehr zu uns kommen. Es ist schwer, ihr deswegen einen Vorwurf zu machen. Sancho wog gut sechzig Kilo. Wir versuchten alles, was uns einfallen wollte. Brachten ihn angeleint mit Kindern zusammen. Redeten mit Verhaltensexperten. Stellten seinen Fressnapf von der Eingangstür weg. Ließen seine Ohren untersuchen, seine Augen. Eines Abends legte ich mich zu ihm neben seinen Platz im Windfang, wo er schlief, redete ihm mit Tränen in den Augen zu und bat ihn, sich zu ändern. Er tat es nicht. Dann stolperte mein dreijähriger Sohn Alex und fiel auf ihn. Sancho schnappte zu und biss ihn in die Backe.
Daraufhin brachte ich Sancho zur Tierärztin, legte mich neben ihn und umarmte ihn, als sie ihm das Natrium-Pentothal injizierte. Ich goss einen Grabstein aus Beton, und wir begruben ihn bei den Bäumen am Rand des Feldes.
Wie ich schon sagte, es ist unwahrscheinlich, dass junge Soldaten, wenn sie im Krieg töten, das empfinden, was ich, Jahrzehnte älter, durch eine Möwe am Strand oder beim Tierarzt mit meinem Hund empfand. Es entspricht nicht der Natur und dem Entwicklungsgrad junger Leute, die dafür ausgebildet werden, für unser Land zu töten. Dennoch denke ich, dass wir mehr tun könnten. Wir versuchen es bei jungen Mannschaftsdienstgraden gar nicht, ihnen ein größeres Maß an Sensibilität zu vermitteln, bei den älteren Unteroffizieren und Offizieren müssten wir das definitiv tun. Wobei auch das schwierig ist, weil auch die Älteren, wenn sie mit dem Töten des Feindes zu tun haben oder den Tötenden direkt vorgesetzt sind, meist selbst höchstens Ende zwanzig, Anfang dreißig sind. Mein Kompanieführer in Vietnam war dreiundzwanzig.
Wir müssen im Krieg mit schweren Widersprüchen leben, und der Grad, in dem uns diese Widersprüche bewusst sind und wir sie auffangen können, hängt von unserer individuellen Reife ab. Du kannst kein Kämpfer sein und nicht gleichzeitig tief mit dem Leiden und der Verantwortung dafür zu tun haben. Du bist der
Grund
für das Leiden und solltest
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