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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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zweihundert Kilometer südlich lag, und darauf hoffen, dass sie rechtzeitig kamen und die Wolken und der ständige Regen es den schnellen Jets nicht unmöglich machte, tatsächlich etwas auszurichten. Um die fehlende Artillerieunterstützung und die noch nicht eingetroffenen Kampfflugzeuge zu ersetzen, brachte der Pilot unser kleines Flugzeug über die Köpfe des Teams, und ich lehnte mich aus dem Fenster und feuerte mit meinem M 16 auf die Soldaten der NVA . Ich verfolgte meine Leuchtspuren, die sich nach unten bewegten, als saugte die Erde sie in sich auf, und versuchte, sie in die blinkenden hellen Punkte zu lenken, die, wie ich wusste, von den NVA -Gewehren produziert wurden, die unser Feuer erwiderten. Es fühlte sich gut an zu helfen. Im Übrigen war ich merkwürdig erregt und reagierte auf das, was da oben aus der Luft wie ein leuchtendes Zwinkern wirkte, als wäre es tatsächlich eines. Ich nahm die Lichter als Ursprung des Feuers und nicht als automatische Waffen wahr, die mich umbringen wollten. Wer sich ganz auf die Gegenwart konzentriert, wird zum reinen Beobachter. Aus Erfahrung wusste ich, wenn ich meinen Gedanken erlaubte, sich mit der Zukunft und Themen zu befassen wie: »Das könnte mich töten«, würde es nur wahrscheinlicher werden, dass es tatsächlich so kam. (Zu dem Zeitpunkt war ich schon fast ein Jahr in Vietnam.) Wenn mich etwas besorgt machte, dann die Möglichkeit, dass wir keinen Erfolg haben und das Team verlieren könnten. Zeit für die eigenen Ängste war vor und nach einem Einsatz. Im Moment hatte ich anderes zu tun. Ich versuchte, den Piloten mittels meiner Karte über unsere Position informiert zu halten. Gleichzeitig redete ich mit den Marines unter uns, versuchte, sie um Hindernisse herumzudirigieren, die sie nicht sehen konnten und die sie zusätzlich Zeit kosten würden, sprach auf einer anderen Frequenz mit den Aufklärungsleuten der Division in Da Nang, die wissen wollten, was vorging, und tat mein Bestes, die Verfolger von der NVA auszumachen und sie aus dem Fenster mit meinem M 16 unter Feuer zu nehmen. Währenddessen redete der Pilot mit den heranfliegenden Kampfjets, auf einer anderen Frequenz mit dem Hubschrauber und mühte sich, das Flugzeug möglichst nahe über dem Boden zu halten, damit ich die Verfolger mit meinem M 16 unter Feuer halten konnte, wobei er aufpassen musste, dass wir nicht in einen der uns umgebenden unsichtbaren Gipfel rasten, deren Position um die niedrigere, von uns für die Evakuierung ausgesuchte Anhöhe ich zu erraten versuchte, während ich die Anflugswege für die Jets plante und ausrechnete, wie viel Zeit wir noch hatten, bis uns der Sprit ausging … oh, und darauf achtete, dass wir unser kleines Flugzeug mit der Kurverei nicht überforderten. Im Gefecht ist der Kopf übervoll.
    Endlich erreichte das Team die Anhöhe und richtete hastig eine Ringverteidigung ein. Gemeinsam versuchten wir nun, die NVA unter Kontrolle zu halten, bis Hilfe eintreffen würde.
    Die NVA bildete einen Halbkreis um die Anhöhe, rückte weiter vor und deckte uns und das kleine Team mit dem Feuer aus ihren automatischen Waffen ein. Alle an den Funkgeräten machten sich Sorgen, die Jungs oben auf der Anhöhe hatten Angst.
    Zwei A- 4 -Jets kamen aus Da Nang, bewaffnet mit
»snake and Nape«.
[8] Wolken umhüllten die Anhöhe, manchmal minutenlang, und machten es den Piloten fast unmöglich, ihre Ziele anzuvisieren. Auch die Evakuierung durch den Hubschrauber wurde durch die schlechten Sichtverhältnisse zu einem echten Problem. Wir gingen tiefer. Ich erinnere mich, wie alles grau-weiß wurde, als wir in eine wirbelnde, niedrig hängende Wolke eintauchten und uns fragten, ob wir die Maschine wohl in den Boden rammen würden, bevor wir wieder etwas sahen. Es ist schon bemerkenswert, aber damals vertraute ich einfach darauf, dass wir Glück haben würden. Im Übrigen war das die Sache des Piloten, nicht meine. Ich lehnte mich aus dem Fenster, hielt das M 16 feuerbereit, und dann, als höbe sich plötzlich ein Vorhang vorm hellen Tageslicht, rauschte der grün-graue Boden auf uns zu. Wir flogen parallel zur Verteidigungslinie des Teams, auf genau den Koordinaten, die ich den Jets gegeben hatte, und mein Pilot feuerte eine der Phosphor-Rauchraketen auf den Feind, der unser Team umzingelte, um so das Ziel für die weit schneller und höher fliegenden A- 4 zu markieren. Er schwenkte nach links unten und versuchte, das Flugzeug wieder auf Höhe zu bringen. Ich sehe noch die

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