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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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der Gegenwart des Todes alles von Heiligkeit berührt wurde.
     
    Jetzt sah ich, wie Zoomer Luft pumpte und sich mit der gleichen primitiven Hartnäckigkeit wie der Stör an sein Leben klammerte, die Nacht hindurch und den Großteil des folgenden Tages, bis sich der Nebel so weit hob, dass ein Rettungshubschrauber kommen konnte. Andere starben wie die Lachse, aber Zoomer pumpte und pumpte, stand das Granatfeuer mit dem Rest von uns durch und wartete darauf, dass sich der Nebel hob, wartete auf den Hubschrauber, der ihn nach Hause bringen würde. Er kam. Und als sich der Nebel wieder senkte, nur Minuten nachdem Zoomer lebend aus der Kampfzone gekommen war, wurde mir bewusst, dass ich wieder einmal Zeuge des Mysteriums von Leben und Tod geworden war. Wieder einmal befand ich mich an jenem geheiligten Ort, auf den ich so ganz und gar nicht vorbereitet worden war. Ich war ein wandelndes Waffenleitsystem der Vereinigten Staaten von Amerika, das Marine Corps hatte mir das Töten beigebracht – aber nicht, wie mit dem Töten umzugehen war.
    Ich war diesem geheiligten Ort, diesem Tempel des Mars, zum ersten Mal einige Monate vor Zoomers Wettlauf mit dem Tod begegnet, zu Weihnachten 1968 . Damals kommandierte ich einen Rifle Platoon, einen Schützenzug. Ein vollständiger Zug bestand aus dreiundvierzig Marines, aber in diesem Winter sorgten Malaria, Dschungelfäulnis, Durchfall und die vietnamesische Armee dafür, dass wir meist höchstens dreißig Mann im Zug zu halten vermochten. Obwohl ich meine geografische Position genauestens bestimmen konnte, hatte ich absolut keine Ahnung, wo ich mich spirituell befand. Jener unschuldige, spirituell sicher besser verankerte vierzehnjährige Junge auf dem Fischerboot seines Großvaters hatte noch acht Jahre Highschool und College vor sich, die an ebendieser Verankerung rütteln würden, ganz zu schweigen von seiner militärischen Ausbildung.
    Unsere aus drei Zügen bestehende Kompanie hatte gerade einen Berggrat für eine Artilleriestellung erobert, hoch im Gebirge, wo Laos an die alte demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südvietnam grenzte. Wir waren weit von jeder Unterstützung entfernt, mein Zug zählte, durch Krankheit und Feuergefechte geschwächt, tatsächlich nur noch fünfundzwanzig Mann. Nach fast einem Monat im Dschungel, nur mit Dosenessen und ohne eine Möglichkeit, sich richtig zu waschen oder die Kleider zu wechseln, waren einige der Marines so mit Pilzflechte und offenen Geschwüren überzogen, dass sie fast vollständig nackt blieben, um ihre Beschwerden zu lindern. Regen und Nebelschwaden zögerten die erhoffte Bewaffnung unserer Artilleriestellung hinaus. Dann, nachdem zwei der normalerweise sechs 105 -mm-Haubitzen und eine begrenzte Menge Munition eingetroffen waren, wurde der Rest des Regiments im Flachland, etwa dreißig Kilometer östlich von uns, in erbitterte Kämpfe verwickelt, und sie brauchten jeden Marine, jede Waffe und jeden Hubschrauber, den sie bekommen konnten. Also ging der Regimentskommandeur das kalkulierte Risiko ein, meinem unterbesetzten Zug und ein paar Freiwilligen zu befehlen, die Haubitzen und ihre Mannschaften allein zu bewachen: Der Rest der Kompanie zog zur Unterstützung des Regiments in die Ebene.
    Mir wurde die Verantwortung für die Stellung übertragen. Ich allein würde die Entscheidungen fällen und meine Fehler in Verletzungen und verlorenen Leben abzählen können. Das Regiment stand unter höchstem Druck, das Wetter war schlecht, es würde praktisch keine Hoffnung auf Verstärkung oder Nachschub geben, sollte uns die NVA , die nordvietnamesische Armee, angreifen, schließlich befanden wir uns weit auf gegnerischem Gebiet und fern von unseren Einheiten. Wenn ich es verdarb oder wir Pech hatten, würden wir überrannt werden, bevor uns irgendeine Unterstützung erreichen konnte. Das Leben der Männer lag in meinen Händen, und ich hatte Angst, sterben zu müssen. Ich befand mich im Tempel des Mars, in dem Menschen geopfert wurden, möglicherweise auch ich selbst, und ich war der Priester. Dabei hatte ich nur ein Seminar besucht, das sich Grundausbildung nannte und in dem mir die rituellen Bewegungen beigebracht worden waren, nicht aber deren Bedeutung.
    Wir patrouillierten intensiv und ohne Unterlass durch das Gelände, das so zerklüftet und schwierig war, dass wir uns immer wieder anseilen mussten, um die Felsen hinauf- und hinunterzukommen. Über Funk taten wir so, als wären wir eine Kompanie, damit der Feind nicht

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