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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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erklangen jetzt mit voller Lautstärke. Ich ging dazwischen und sagte: »Es war nur für einen Dollar. Tut uns leid.«
    Perkins’ Blick sagte: Was zum Teufel soll das? Die drei Typen wandten sich wieder ihren Gläsern zu und waren offenbar beschwichtigt.
    Wir versuchten, unser Gespräch wiederaufzunehmen, aber die unbeantwortete Drohung, die immer noch in der Luft hing, hinderte uns daran. Endlich sagte ich mit leiser Stimme: »Kommt, wir gehen zurück in den Rebel Room.«
    »Das sind nichts als ein paar fette Ärsche«, zischte Perkins. »Du willst dich von denen hier vertreiben lassen?«
    »Die vertreiben uns nicht. Wir gehen einfach.«
    Ich trank mein Glas aus und stellte es entschieden auf den Tisch. Zu dritt standen wir auf, und ich musste über Perkins klettern, der düster vor sich auf den Tisch starrte. Wieder kniffen wir die Augen zusammen, weil das Licht draußen so hell war, als wir, mit Perkins zwischen uns, die Tür aufstießen. Draußen sprach er von verletztem Stolz und überredete meine beiden Freunde umzukehren. Ich ging allein zurück in Benny’s Rebel Room und fühlte mich schlecht, weil ich nicht stolz genug war.
    Ich hatte mich kaum mit meinen Zwiebelringen hingesetzt, als einer von den beiden, die mit Perkins gegangen waren, hereingerannt kam und sagte, Perkins sei zusammengeschlagen worden. Perkins hatte als Erstes für einen weiteren Dollar »Nigger-Musik« gedrückt, zwei Krüge Bier bestellt und war an die Theke gegangen, um auf sie zu warten, wobei er offenbar etwas nachlässig mit seinem Ellbogen umging. Der, der keine Nigger-Musik mochte, sagte noch ein paar unfreundliche Dinge über die Marines. Perkins erwiderte etwas nicht gerade Originelles und nahm die beiden Krüge entgegen. Der Mann stupste Perkins leicht mit dem Finger vor die Brust und stieß ihn zurück, worauf etwas Bier aus den Krügen über Perkins’ frisch gebügeltes Zivilhemd schwappte.
    Das war es. Jetzt hätte Perkins alles getan, um seine Ehre zu retten. Sein Ego ließ ihm keine Wahl. Er schleuderte dem Kerl das Bier ins Gesicht – was von mangelndem Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit zeugte.
    Kneipenkämpfe im Fernsehen dauern immer lange genug, um die Zuschauer zu unterhalten. Perkins lag schon nach etwa zwei Sekunden auf dem Boden und wand sich vor Schmerzen wegen der Tritte, die er in die Nieren bekam. Blut strömte ihm übers Gesicht, wo ihn der Kerl erwischt hatte. Seine Kumpel hielten unsere beiden Freunde in der Nische fest. Einer von ihnen hatte ein Schnappmesser gezückt.
    Die Marines ergaben sich.
    Wir verfrachteten Perkins in ein Taxi, und während ich auf dem Weg zurück nach Quantico hinten auf der Rückbank seinen Kopf auf dem Schoß hielt, wurde ich von Ängsten und finsteren Vorahnungen geplagt. Auch Marines konnten verletzt werden, selbst wenn wir in besserer Verfassung waren als unsere Gegner. Plötzlich bekam der Krieg, für den wir ausgebildet wurden, etwas Reales. Ich sah die Bäume und das Gras des Mittelstreifens am Auto vorbeiziehen. Schwermut wallte in mir auf. Ich wusste, ich hatte gute Chancen, nie wieder solche Bäume und solches Gras zu sehen, einfaches Gras auf dem Mittelstreifen eines Freeway. Es war so außergewöhnlich schön. Wenn ich über Gras gehe, habe ich noch heute das Gefühl, ich würde mich über eine weiche Haut bewegen.
    Wir schafften es gerade, Perkins so ausreichend zu säubern, dass er am Abend mit antreten konnte. Der Ausbilder sah ihm lange und eindringlich in sein verschwollenes Gesicht. »Du hast verloren, was, du Wurm?«
    »Ja, Sir!«, brüllte Perkins.
    Danach, während die anderen freihatten, um sich auf den Abschluss des Camps am nächsten Tag vorzubereiten, ihre Ausrüstung zu säubern und Briefe zu schreiben, rannte unser gesamter Zug durchs Gelände und machte Liegestütze. Das war die Strafe dafür, dass wir verloren hatten. Es ging so lange, bis wir einer nach dem anderen erschöpft zusammenklappten. Ich weiß noch, wie ich im Dreck lag, nach Luft schnappte und mich der perfekt polierte Stiefel des Ausbilders umdrehte. »Stehen Sie auf und sagen Sie mir, was geschehen ist.«
    Ich erzählte es ihm.
    »Himmel noch mal, das Cap ’n’ Guys. Perkins kann ich ja noch verstehen, aber von Ihnen hätte ich mehr Verstand erwartet. Sie haben ihn da hineingehen lassen?
Scheiiiße,
Marlantes.« Er teilte mich zur Feuerwache ein, weil ich so dumm gewesen war und Perkins nicht zurückgehalten hatte. Das hieß, es gab keinen Schlaf in dieser Nacht.
    Da es seine

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