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Was Farben sagen

Was Farben sagen

Titel: Was Farben sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Wolf
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tatsächlich in die Tiefe. Blau ist die Farbe der Weite und Distanz. Sie weicht vom Betrachter zurück und strahlt dabei nichts Einladendes aus. Sie sucht nicht die Nähe wie die warmen Farbtöne, sondern entzieht sich vielmehr in weit entlegene Bereiche, in die man nicht folgen kann. Blau ist das große Nichts: nicht greifbar, flüchtig, zurückweichend.
    Flüchtig und sich entziehend     In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass sich der Farbname Blau sprachgeschichtlich vielerorts erst spät entwickelt hat. Die alten Römer beispielsweise kannten kein Wort für Blau, und einige Sprachen unterscheiden nicht zwischen Grün und Blau, sondern verwenden beide Farbnamen synonym. 17 Genauso bezeichnen die Isländer sämtliche Nuancen zwischen Schwarz und Blau mit einem einzigen Wort. All dies unterstreicht nur das schwer Bestimmbare, das kaum Greifbare, das Blau umgibt. Im Fall der isländischen Sprache wird Blau sogar direkt auf eine Stufe mit dem Finsteren, dem Undurchsichtigen gestellt.
    Â» Ein reizendes Nichts«    Blau ist die Farbe des Immateriellen, und Goethe sprach von Blau als » reizendem Nichts«– es verfehlt seine Wirkung nicht, bleibt dabei aber seltsam flüchtig. Das meiste, was wir in der Natur als blau wahrnehmen, sind überdies selbst nur flüchtige, irreale Erscheinungen, wie etwa Schatten oder die Atmosphäre. Selbst der Himmel, Meere oder Seen erscheinen zwar oft blau, sind es allerdings nicht. Im Grunde blicken wir im Fall des Himmels auf die Schwärze des Alls. Lediglich aufgrund des seitlich einfallenden Sonnenlichts, das die Atmosphäre beleuchtet, nehmen wir den Himmel als blau wahr. Ein in meinen Augen zentraler Satz zu Blau, der hier nahtlos anschließt und zugleich das Wesen der Farbe klar umreißt, stammt von Yves Klein: » Was ist Blau? Das Blau ist das sichtbar werdende Unsichtbare.«
    Yves Klein, für den jede Farbe eine lebendige Welt war, hat gerade die übernatürliche Aura von Blau so intensiv studiert wie kaum jemand sonst. Sein Ziel war es, das Geistige dieser Farbe greifbar zu machen . Blau war für ihn die Welt der Freiheit und Weite 18 , und seine monochromen Bilder in dem Blauton, den er sogar für sich patentieren ließ– ein tiefes, sattes und samtiges Ultramarin–, scheinen den Betrachter regelrecht in sich hineinzuziehen in unendliche Weiten, in übernatürliche, irreale Welten. 19
    Sehnsucht und Emotionen    I n der Romantik symbolisierte daher womöglich gerade die blaue Blume ein zentrales Element: die Sehnsucht nach etwas außerhalb dieser Welt und, sicherlich ebenso schwer zu erreichen, nach der inneren Wahrheit. Sind diese inneren Werte mit der Hilfe von Blau gefunden, werden sie jedoch nicht nach außen getragen, sondern sind das, was man als Seelenfrieden und innere Kraft bezeichnet, die so nur über Blau erreicht werden können. Als Wasserfarbe steht es zudem eng mit den Emotionen in Verbindung, die in jener tiefgehenden blauen Innenschau ebenfalls ausgelotet werden.
    Vertiefung    Mit Blau erlebt man durch die Sogwirkung der Farbe automatisch eine Vertiefung und ein Loslösen von der äußeren Welt. Ganz im Gegensatz zu seinem Komplementär Orange, das im Außen agiert und sich dort erleben will, zieht sich Blau zurück und sucht die Antworten auf drängende Fragen in sich.
    Himmlisches Blau    Die sich entziehende, in die Tiefe strebende Tendenz der Farbe verband Kandinsky mit einer überirdischen Bedeutung von Blau: » Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir ihn uns vorstellen bei dem Klange des Wortes Himmel. Blau ist die typisch himmlische Farbe.«Dem entspricht auch die Verwendung von Blau in der Malerei, da die Künstler für den Umhang Marias meist Blau wählten. Man hat sich dies damit erklärt, dass blaue Farbpigmente, wie das Lapislazulipulver im Ultramarinblau, sehr kostspielig und auch schwer zu beschaffen waren. Die Tradition, gerade diese wertvolle Blaunuance für die Kolorierung des Mantels der Gottesmutter zu verwenden, um deren Sonderstellung zu betonen, erschließt sich jedem sofort. Andere gehen davon aus, dass der Ursprung des blauen Marienmantels in der Bibel zu finden ist, in der die Farbe Blau die himmlische Farbe ist, aber auch

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