Was Farben sagen
Tiefen und hält sie dort verschlossen. Genau das bringt ihm jene überaus komplexe, übervolle, enge Qualität ein. Weià kann es sich leisten, jede Strahlung abzuschmettern, weil es bereits alles in sich trägt, es ist vollkommen. Schwarz dagegen braucht jedes Quäntchen Licht beziehungsweise Farbe, das es bekommen kann, um im wahrsten Sinn des Wortes Licht in sein Dunkel zu bringen.
Das Unbewusste   Wo Weià unerschütterliche Klarheit und offenes, waches Bewusstsein ist, ist Schwarz im Grunde eine schwer zu durchtrennende, verworrene Masse in tiefster Dunkelheit. Schwarz ist wie ein stockfinsterer Raum, in dem man keine Orientierung hat. Es ist das Unbewusste sowie das Vertrauen auf den Instinkt, der in der undurchdringlichen Finsternis der Farbe der einzige Kompass sein kann. Schwarz ist das perfekte Bild für das Verborgene, das nicht oder nur schwer Sichtbare. In seinen Abgründen kann man sich verlieren, und Schwarz scheint einen regelrecht aufzusaugen, blickt man länger hinein.
Das Geheimnisvolle   Der häufige Vergleich von Schwarz mit dem Geheimnisvollen hängt ebenfalls mit dieser Undurchdringlichkeit zusammen: Es wirkt dadurch in gewisser Weise mystisch, und es entzieht sich der Einordnung. Doch im Grunde ist Schwarz viel eher jene schwer zu durchtrennende, zähe Masse in tiefster Finsternis, in der man keinen Halt findet. Statt mystisch umschreibt Schwarz daher besser ein Begriff wie chaotisch. Statt geheimnisvoll ist es unbewusst.
Dumpfe Tiefe   Genauso haftet Schwarz auf den ersten Blick etwas Strenges, Diszipliniertes und auch Magisches, Mächtiges an, doch bei längerer Betrachtung ist es im Gegenteil weich, formlos, ausgesprochen klebrig und abgründig wie das sprichwörtliche schwarze Loch. Jeder Klang scheint verschluckt zu werdenâ Schwarz ist unbehagliche Stille, in die sich ab und an ein dumpfes Dröhnen aus seinen Tiefen mischt.
Manifeste, reiche Prägung   Befreit sich eine Farbe jedoch aus den warmen Tiefen von Schwarz, hat sie eine greifbare, reiche Qualität dazugewonnen. Wie aus dem Schoà der Erde gehen die Farben aus Schwarz reicher hervor und tragen kräftige Blüten. Es ist genauso wie Weià in diesem Sinne eine Wiege der Farben, die nach dem Aufstieg aus den zähen Tiefen von Schwarz zwar noch von dunklen Schlieren durchzogen sind, doch gerade dadurch ihren dichten, reichen Charakter gewinnen. Mit Schwarz finden die Farben zu ihrer grobstofflichsten Form, es ist das Erfahren des Irdischenâ und es ist eine notwendige Prägung, die den Farben eine sinnliche, greifbare Qualität schenkt.
Vokabeln
WeiÃ
Vollkommen, pur, klar, rein, makellos, unantastbar, unnahbar, elitär, hehr, kalt, stark, hart, blendend, reflektierend, strahlend, brillant, leicht, schwerelos, ätherisch,substanz- und formlos, sublimiert, transparent, Bewusstsein, ruhend, Null.
Schwarz
Komplex, tief, abgründig, undurchdringlich, unergründlich, verworren, chaotisch, verstörend, absorbierend, aufsaugend, übervoll, eng, dicht, sättigend, beschwerend, weich, warm, Finsternis, Unbewusstes, Unbekanntes, Verborgenes, formlos, bedürftig, klebrig, breiig, zäh, ruhend.
Ein Wörterbuch der Farbe
Vorbemerkungen zur Nutzung des Wörterbuchs
Möget ihr das Licht zerstückeln, Farb und Farbe draus entwickeln â¦
Johann Wolfgang von Goethe
Von Schneeweià bis Pechschwarz: Der Farbfächer
Goethe betonte in seiner Farbenlehre, dass Farben im Gegensatz zum Licht » jederzeit spezifisch, charakteristisch, bedeutend sind«. Jeder Farbton hat demnach seine » persönliche Seele«. Rot hat eine andere Aussage als Blau, aber auch Gelb ist nicht gleich Gelb. Zwischen einem grellen Zitronengelb, das stechend wirkt und bei längerem Hinsehen in den Augen schmerzt, und einem buttrigen Goldgelb, das eher Assoziationen von Ãppigkeit weckt, liegen Weltenâ sowohl in der direkten Wirkung als auch in der Interpretation. Genauso ist ein sanftes Apricot nicht zu vergleichen mit einem frechen Orange, selbst wenn beide zur selben Farbfamilie gehören. Wie groà der Unterschied zwischen einzelnen Farbtönen ist, brachte Yves Klein auf den Punkt: » Für mich ist jede Nuance einer Farbe ein Individuum, ein Lebewesen von derselben Art wie die Grundfarbe, das aber einen Charakter hat und eine persönliche Seele besitzt.« Und wie wichtig es ist, zwischen einzelnen Nuancen zu
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