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Was Farben sagen

Was Farben sagen

Titel: Was Farben sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Wolf
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Impulse in sich, die Botschaften aller Farben– Weiß ist vollkommen. Es ist reine, sublimierte Kraft in vollkommener Ruhe und ohne jede Motivation– aber mit allen Möglichkeiten. Hier ist es tatsächlich möglich zu sagen: » Ich weiß«, denn mit Weiß kann man auf sämtliche Aspekte zurückgreifen und schöpft aus dem Vollen.
    Leer und absolut zugleich    Trotz dieser Fülle wirkt reines Weiß auch immer leer, da sich die Farben in ihm bereits vollständig aufgelöst haben. Sie sind nicht mehr sicht- oder gar greifbar, sondern nur noch der reine Impuls, der Geist der Farbe. Weiß entsprechen daher tonlose Passagen in der Musik beziehungsweise sphärische Klänge, die zu weit entfernt von uns sind, um sie noch wahrnehmen zu können. Doch sobald sich das Weiß wieder verdichtet zu milchigem Gelb über strahlendes Sonnengelb und weiter zu vibrierendem Orange und dynamischem Rot, wird der Klang lauter und lauter. Dann wird deutlich, dass in Weiß das Potenzial » zur Geburt aller Klänge« immer gegeben ist– mehr noch, in Weiß lebt mit den Impulsen aller Farben ein ganzes Orchester.
    Ei und Null als Symbole    Da Weiß der Ursprung aller Farben ist, wird ihm häufig das Ei als Symbol zugeordnet. Daneben findet man auch die Null, die das Absolute verkörpert. Sie ist genau wie Weiß alles und nichts: Die Null ist der perfekte Kreis, in dem alles enthalten ist, sowie auch die Leere, das Nichts. Zudem ist die Null die Zahl der– um mit Hajo Banzhaf zu sprechen– » uranfänglichen Einheit «, aus der alles hervorgeht, was sie mit Weiß, der Wiege aller Farben, gemeinsam hat.
    Vollkommenes Weiß ist eine göttliche Farbe, so werden zum Beispiel weiße Tiere häufig als gottnah verstanden: Der Göttervater Zeus zeigte sich Europa als weißer Stier, in Indien gelten weiße Rinder als gottgleich, und weiße Ibisse sind in China heilige Vögel, die Unsterblichkeit verkörpern. Ein Sinnbild des Heiligen Geistes ist die weiße Taube, so wie Weiß in der katholischen Kirche generell die liturgische Farbe der höchsten Feiertage ist. Auch die Madonnenlilie, die die unbefleckte Empfängnis Marias symbolisieren soll, ist weiß: rein und makellos.
    Stärke    Weiß ist dabei absolut keine schwache Farbe, sondern, wie es der Schriftsteller C. K. Chesterton formuliert hat, » eine scheinende und verstärkende Farbe, so wild wie Rot, so entschlossen wie Schwarz«. 28 Weiß als Summe aller Farben steht generell für Stärke und Ganzheit– eine Nichtfarbe, die fast zu erhaben ist für den alltäglichen Gebrauch, weswegen sie nur gezielt und sehr dosiert eingesetzt werden sollte.
    Hartes, gnadenloses Weiß     Weiß ist blendend, hell, rein, klar, strahlend und hat eine kraftvolle Präsenz. Weiß ist auch die ideale Schutzfarbe, an ihm prallt alles ab wie an einer Mauer. Betrachtet man eine weiße Fläche längere Zeit, muss man bereit sein für die Konfrontation mit sich selbst, denn Weiß bleibt hart und wirft jede Aktion, jede Regung zurück, wenn sie sich nicht nahtlos in seine hehre Welt eingliedern lässt. Anders als bei seinem Pendant Schwarz, das alles kritiklos in sich aufsaugt, muss man sich den Zugang zu elitärem Weiß verdienen.
    Schwarz: Chaotische Komplexität
    Chaotisches Konglomerat    In Weiß haben sich alle Farbtöne versammelt und in einem gleißenden Lichtblitz zu einer vollkommenen, lichten Brillanz aufgelöst. Allen schwarzen oder den von Schwarz durchzogenen Nuancen haftet dagegen noch etwas Schweres an, das ihnen eine deutlich griffigere, manifeste Qualität verleiht. Schwarz wirkt ausgesprochen dicht, wie ein Konglomerat der verschiedensten Energien. Der Bildhauer Reiner Ruthenbeck hat das Prinzip von Schwarz zusammengefasst als » ambivalente Deutung von Ruhe und Aktivität (…) wie ein großer Atem«. 29 Denn Schwarz ist nicht tot, es wirkt nur oberflächlich ruhig. Doch unter der Oberfläche tobt das Chaos aus sämtlichen Farbaspekten, die es vorbehaltlos in sich eingesogen hat und die sich in seinen undurchdringlichen, melassezähen Tiefen gegenseitig behindern. Schwarz ist formlos, es wartet noch auf eine ordnende Gestaltung.
    Absorbierend    Wo Weiß unzugänglich und abweisend wirkt, schluckt Schwarz alle Lichtwellen in seinem Umfeld, zieht sie in seine dunklen

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