Was geschah mit Angelika H.
ungerecht! Warum muß so was denn immer mir passieren, wo ich doch nun wirklich für nichts kann?« Erschüttert wackelte er mit dem Kopf. »Sagen Sie mal, ist so was eigentlich erlaubt? Ich meine, darf der so was überhaupt?«
Markesch lachte heiser. »Sie scheinen sich über Ihre Situation nicht ganz im klaren zu sein. Sie haben Hilling erpreßt, Mann! Glauben Sie etwa, das ist erlaubt? Dafür wandern Sie in den Knast!«
»Aber ich habe Angelika nicht entführt!« jammerte Boruschka. »Verdammt, ich weiß nicht mal, wo sie steckt! Man kann mich doch nicht für was verknacken, was ich gar nicht getan habe, oder?«
»Das sollten Sie nicht mich fragen, sondern Ihren Anwalt«, knurrte Markesch. »Ich bin nur der Schnüffler. Mein Job ist es, Angelika Hilling zu finden und sie zu ihrem Großvater zurückzubringen. Und gnade Ihnen Gott, wenn Sie mich anlügen!«
Boruschka schniefte, fischte eine neue Flasche Bier aus dem allzeit bereitstehenden Kasten, öffnete sie mit den Zähnen und spuckte den Korken trotz seiner fortgeschrittenen Trunkenheit zielsicher in den überquellenden Abfalleimer.
»Aber ich lüge doch nicht, ehrlich! Es war alles so, wie ich’s erzählt hab’. Angelika stand vor drei Monaten plötzlich vor meiner Tür, und nach zwei Tagen hab’ ich sie wieder rausgeworfen – wegen meiner Alten. Seitdem hab’ ich sie nicht mehr gesehen.«
»Und warum haben Sie sie später bei den Sanyiten gesucht? Wahrscheinlich, weil Sie damals schon dem alten Hilling Geld abpressen wollten!«
»He!« rief Boruschka entrüstet. »An so was wie Erpressung hab’ ich nie gedacht, ehrlich nicht! Ich bin doch kein Verbrecher! Ich hab’ mir Sorgen um meine Schwester gemacht. Sie tat mir leid, verstehen Sie? So durcheinander wie die war und überhaupt … Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie einfach vor die Tür gesetzt habe. Ich meine, schließlich bin ich ihr Bruder. Da hat man doch so was wie Verantwortung!«
»Sicher«, sagte Markesch, »eine wirklich rührende Geschichte. Und nachdem Sie aus purer Geschwisterliebe Bikshu Arupa zusammengeschlagen haben, sind Sie zu Ihrer Erna zurückgekehrt und haben nicht mehr an Angelika gedacht?«
»Genau. Bis Sie aufgekreuzt sind. So gesehen, ist alles Ihre Schuld.« Boruschka klopfte bekräftigend mit der Bierflasche auf den Tisch. »Sie haben mich überhaupt erst auf die Idee mit dem Lösegeld gebracht! Ich dachte mir, wenn Angelika sowieso verschwunden ist – warum nicht so tun, als wäre sie entführt worden, und ein paar Mark Weihnachtsgeld abkassieren? Irgendwie mußte ich mir doch meinen Anteil am Erbe sichern, oder nicht? Freiwillig würde mir der alte Hilling doch keinen Pfennig geben. Es war Notwehr, Mann, reine Notwehr!«
Er ballte die schwielige Faust und schnaufte wütend.
»Wie hätte ich denn ahnen können, daß der Alte so geizig ist und mir statt der Viertelmillion ’nen Haufen wertloses Papier andreht? Ich kann’s immer noch nicht fassen. Ich meine, stellen Sie sich mal vor, ich wäre ein echter Kidnapper gewesen! Was wäre dann aus Angelika geworden? Das hätte für sie doch verdammt böse ausgehen können, oder nicht?«
Und das, dachte Markesch, ist genau der Punkt, auf den es ankommt. Nur, daß nicht der alte Hilling, sondern der gute Doktor Roth hinter diesem dubiosen Papierstatt-Geld-Manöver steckt. Aber warum hat er das getan? Um das Hillingsche Vermögen zu schützen? Wohl kaum – dann hätte er mich zumindest eingeweiht. Dieser Bastard wollte sich die Viertelmillion in die eigene Tasche stecken! Und fast hätte es auch geklappt. Aber trotzdem … Das Ganze ergibt keinen Sinn! Kein Erpresser gibt sich mit einem Koffer voll Papier zufrieden! Roth mußte doch damit rechnen, daß die Sache herauskommt – daß der Erpresser noch einmal den alten Hilling anruft und Geld verlangt!
Und Angelika? Verdammt, er hat bewußt Angelikas Leben aufs Spiel gesetzt! Niemand konnte vorher mit absoluter Sicherheit wissen, daß die Entführung nur fingiert war! Oder doch …?
Plötzlich fielen ihm Roths Worte wieder ein.
›Ich glaube nicht, daß wir es mit einer echten Entführung zu tun haben.‹
Wie kam er dazu, so etwas zu glauben? Eingebung? Erleuchtung? Oder war es weniger eine Frage des Glaubens und mehr eine Frage des Wissens gewesen? War das die Erklärung? Wußte Roth, wo Angelika Hilling war? Hatte er es schon die ganze Zeit gewußt und deshalb das Lösegeld ausgetauscht? Doch warum behielt er sein Wissen für sich? Warum sagte
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