Was geschah mit Angelika H.
Er transpirierte so heftig, als wollte er die Angst eines ganzen Lebens ausschwitzen, und verstieg sich dann zu dem verräterischen Ausruf:
»Aber ich weiß doch nicht, wo Angelika steckt! Ich hab’ doch keine blasse Ahnung, Mann!«
»Öm Joddes welle!« jammerte seine reizende marsianische Lebensgefährtin. »Öm Joddes welle! Ich han et jo allt jesat, Fredy! Maach et nit, han ich jesat! Dat jibt nix wigger wie Ärjer, han ich jesat. Ävver do Holzkopp häs et jo …«
»Halt’s Maul, du Schlampe!« brüllte Boruschka und schwenkte die Bierflasche, als wollte er ihr damit die marsianischen Plastiklocken plätten. »Ja, bist du denn völlig bescheuert, du Tränentier? Noch ein Wort, und ich hau’ dir …«
»Das reicht, Boruschka«, unterbrach Markesch und zog die Magnum aus dem Hosenbund. »Ich kann auch die Kripo holen. Dann können Sie der Kripo erklären, was Sie heute als Weihnachtsmann verkleidet am Neumarkt gemacht haben. Verdammt, Sie sind im Arsch, begreifen Sie das endlich! Sie sind so im Arsch, wie ein Mensch nur sein kann! Sie haben nur eine Chance, aus diesem Schlamassel herauszukommen, und diese Chance bin ich. Also, ich will das Mädchen und ich will den Koffer, und ich will beides sofort. Ist das klar?« Demonstrativ entsicherte er die Waffe. »Ist das klar?«
»Aber ich weiß nicht, wo Angelika ist! Ehrlich, ich hab’ keine blasse Ahnung. Ich hab’ sie nicht entführt! Ich hab’ das doch nur gesagt, Mann, nur gesagt!«
»Sicher«, höhnte Markesch. »Und wo der Koffer mit der Viertelmillion ist, den Sie sich als Weihnachtsmann verkleidet am Neumarkt unter den Nagel gerissen haben, wissen Sie auch nicht, was?«
Boruschka starrte ihn an, als hätte er soeben erkannt, daß er es mit einem Wahnsinnigen zu tun hatte. »Die Viertelmillion?« Er lachte schrill, wie von Sinnen. »Was für eine Viertelmillion?« schrie er. »Wollen Sie mich verarschen oder was? Ich faß’ es nicht! Es gibt keine Viertelmillion! Ihr habt mich doch gelinkt, ihr Schweine! Gelinkt, total gelinkt!«
Er machte einen Schritt nach vorn. Markesch hob warnend die Magnum.
»Keine Dummheiten, klar?« sagte er heiser. »Wir wollen doch diesen schönen Tag nicht durch ein Blutbad verderben, oder?«
»Öm Joddes welle!« kreischte die Frau. »Bliev ston, Fredy! Dä Käl dät dich ömbrenge!«
»Okay«, schnaufte Boruschka, »okay, ich bleibe stehen, ich rühr’ mich nicht von der Stelle, okay? Und du, Erna, du holst den verdammten Koffer. Los, los, mach schon, hol diesen beschissenen Koffer!«
Erna verschwand heulend im Wohnzimmer und kam mit dem schwarzen Aktenkoffer zurück.
Markesch nickte zufrieden. »Warum nicht gleich so!«
Boruschka lachte wieder, aber es klang alles andere als fröhlich. Es klang eher nach einem Fall für Doktor Roth. »Mach den Koffer auf, Erna«, befahl er. »Zeig dem Schnüffler, was in dem Koffer ist! Zeig’s ihm, verdammt noch mal!«
Erna gehorchte. Löste heulend die Verschlüsse. Klappte schluchzend den Koffer auf.
Und Markesch kam sich vor wie ein Mann, der zwanzig Jahre Lotto gespielt und zum erstenmal sechs Richtige getippt hatte und am Sonntagmorgen feststellen mußte, daß alles nur ein Traum gewesen war. Er starrte den Koffer an. Es war unmöglich. Es durfte nicht sein!
Denn in dem Koffer … war kein Geld.
»Papier!« schrie Boruschka und lachte wie wahnsinnig. »Nur Papier! Alles nur Papier! Ihr habt mir einen Haufen Papier angedreht, ihr Schweine, das ist alles, kein Geld, nur Papier, Papier, Papier!«
Er griff mit beiden Händen hinein und warf die auf Geldscheingröße zurechtgeschnittenen Bündel Zeitungspapier in die Luft, und er lachte und lachte, als wollte er nie wieder mit dem Lachen aufhören.
Markesch saß mit Fredy Boruschka am Küchentisch, bekämpfte seinen Schock mit einem Wasserglas voll billigem Korn und wunderte sich nicht zum erstenmal über die abgrundtiefe Schlechtigkeit der Menschen.
Roth, dachte er, dieser Hurensohn! Es ist unglaublich! Die Viertelmillion gegen wertloses Zeitungspapier auszutauschen … Unglaublich, schlichtweg unglaublich.
»Eine bodenlose Gemeinheit«, lamentierte Fredy Boruschka mit schwerer Zunge und hielt sich an seiner Bierflasche fest. »Richtiggehend kriminell ist so was. Verdammt, der alte Hilling hat doch genug Geld, der schwimmt doch in seinem verdammten Geld! Warum dreht er mir dann einen Koffer voll Papier an? Ausgerechnet mir, der ich nun wirklich ein armes Schwein bin!«
Er schluchzte.
»Es ist alles so
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