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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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Nächstes?«
    Er schälte sich aus Blazer und Hemd. »Normalerweise Physik-LK, aber ich schwänze.«
    Physik-LK. Beeindruckend. »Und … bist du in meinem Jahrgang?«
    »Ich bin in der Elften«, sagte Jamie. Er musste meine Skepsis bemerkt haben, denn er fügte schnell hinzu: »Ich habe eine Klasse übersprungen. Wahrscheinlich habe ich den familiären Kleinwuchs meiner Eltern durch Osmose abbekommen.«
    »Durch Osmose? Wie in der Chemie, meinst du?«, fragte ich. »Aber du bist doch gar nicht klein.« Es war gelogen, aber nur ein kleines bisschen.
    »Ich bin adoptiert«, sagte Jamie. »Und bitte. Ich bin wirklich kein Riese.« Achselzuckend tippte er auf seine Armbanduhr. »Du solltest lieber zum Unterricht gehen, bevor du dich verspätest.« Er winkte. »Mach’s gut.«
    »Tschüss.«
    Und einfach so hatte ich einen neuen Freund gewonnen. Ich klopfte mir im Geiste auf die Schulter; Daniel würde stolz auf mich sein. Mom noch stolzer. Ich nahm mir vor, ihr diese Neuigkeit vor die Füße zu legen wie eine Katze ihrem Besitzer eine tote Maus. Vielleicht reichte es sogar aus, um eine Therapie abzuwenden.
    Immer vorausgesetzt natürlich, dass ich die heutigen Halluzinationen für mich behielt.

8
    I chschaffte es, den restlichen Tag zu überstehen, ohne im Krankenhaus oder in der Anstalt zu landen, und wie Daniel gesagt hatte, wartete meine Mutter nach Schulschluss in der Sackgasse auf mich. Sie beherrschte diese kleinen Mutter-Momente großartig und enttäuschte mich auch heute nicht.
    »Mara, Süße! Wie war dein erster Tag?«, fragte sie und überschlug sich fast vor Enthusiasmus. Sie schob sich die Sonnenbrille ins Haar und beugte sich herüber, um mir einen Kuss zu geben. Dann erstarrte sie. »Was ist passiert?«
    »Was?«
    »Du hast Blut am Hals.«
    Mist. Ich dachte, ich hätte alles abgewaschen. »Ich hatte Nasenbluten.«
    Meine Mutter blieb stumm. Ihre Augen waren schmal und voller Sorge. Das war nichts Neues und ging mir echt auf die Nerven.
    »Was?«
    »Du hattest in deinem ganzen Leben noch kein Nasenbluten.«
    »Woher willst du das wissen?«, hätte ich sie am liebsten gefragt, aber leider hätte sie es gewusst. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich ihr alles anvertraute. Doch die waren vorbei.
    Ich blieb standhaft. »Heute hatte ich welches.«
    »Einfach so? Ganz zufällig?« Sie warf mir ihren durchdringenden Therapeutenblick zu, der nichts anderes besagte als: Du lügst wie gedruckt .
    Ich würde ihr nicht erzählen, dass ich geglaubt hatte, mein Klassenzimmer stürze ein, in dem Moment, als ich es betrat. Oder dass dank meiner Posttraumatischen Belastungsstörung meine toten Freunde heute wieder aufgetaucht waren. Ich hatte seit unserem Umzug keine Symptome mehr gezeigt. War auf den Beerdigungen meiner Freunde gewesen. Hatte den Inhalt meines Zimmers in Kisten gepackt. Hatte mir mit meinen Brüdern die Zeit vertrieben. Ich hatte getan, was ich konnte, um nicht zu Moms Projekt zu werden. Was sich heute ereignet hatte, war nicht mal ansatzweise den Preis wert, den ich würde zahlen müssen, wenn sie davon erfuhr.
    Ich sah ihr in die Augen. »Ganz zufällig.« Sie glaubte mir immer noch nicht. »Das ist die Wahrheit«, log ich. »Kannst du mich jetzt in Ruhe lassen?« Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, wusste ich auch schon, dass ich sie bereuen würde.
    Ich behielt recht. Wir fuhren schweigend nach Hause und je länger wir nicht miteinander sprachen, desto offensichtlicher schäumte sie vor Wut.
    Ich versuchte, mich auf den Heimweg zu konzentrieren, da ich dank Daniels längst fälligem Zahnarzttermin demnächst selbst zur Schule fahren durfte. Es war kein großer Trost, dass Mr Perfect zu Karies neigte.
    DieHäuser, an denen wir vorbeikamen, waren allesamt flache Kästen mit Plastikdelfinen und hässlichen, auf alt getrimmten Statuen auf dem Rasen. Es war, als wäre der Stadtrat von Miami zusammengetreten und hätte beschlossen, die Stadt ohne einen Anflug von Charme zu gestalten. Wir passierten ein nichtssagendes Einkaufszentrum nach dem anderen, die einem mit vereinter Kraft ihre Werbung für Michaels! Kmart! und Home Depot! entgegenschrien. Ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum irgendjemand im Umkreis von fünfzig Kilometern mehr als ein solches Zentrum brauchte.
    Wir erreichten unser neues Haus nach einer qualvollen Stunde Fahrt, von der mir zum zweiten Mal an diesem Tag speiübel wurde. Sobald sie den Wagen in die Einfahrt gesteuert hatte, stieg meine Mutter aus. Ich blieb

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