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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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regungslos sitzen. Meine Brüder waren noch nicht zu Hause, mein Vater mit Sicherheit auch nicht und ich wollte die Höhle des Löwen nicht allein betreten.
    Ich starrte auf das Armaturenbrett, während ich im Saft meiner eigenen Verbitterung vor mich hin schmurgelte, bis mich ein Klopfen an der Autotür aufschreckte.
    Ich hob den Kopf und sah Daniel draußen stehen. Das helle Tageslicht hatte dem Abend Platz gemacht und den Himmel hinter ihm königsblau gefärbt. Wie lange hatte ich so dagesessen?
    Daniel musterte mich durch das offene Fenster. »Harter Tag?«
    Ich versuchte, mein Unbehagen zu verdrängen. »Wie kommst du darauf?«
    Joseph warf die Tür von Daniels Civic zu und kam, den übervollen Rucksack vor den Bauch gehängt, mit strahlendem Lächeln zu uns herüber. Ich stieg aus dem Wagen und gab meinem kleinen Bruder einen Klaps auf die Schulter. »Wie war dein erster Tag?«
    »Super! Ich bin in die Fußballmannschaft aufgenommen worden und mein Lehrer hat gesagt, ich soll nächste Woche beim Freundschaftsspiel mitmachen. Außerdem sind in meiner Klasse ein paar coole Mädchen, aber auch eine ziemlich Komische, die mich gleich angelabert hat, aber ich war trotzdem nett zu ihr.«
    Ich grinste. Natürlich würde sich Joseph für jede zusätzliche Aktivität anmelden. Er war begabt und kontaktfreudig. Genau wie Daniel.
    Ich verglich die beiden miteinander, wie sie mit dem gleichen schlaksigen Gang nebeneinander zum Haus marschierten. Joseph kam mehr nach unserer Mutter und hatte ihre glatten Haare, ganz anders als Daniel und ich. Doch beide besaßen ihren Teint, während ich die schneeweiße Haut meines Vaters geerbt hatte. Trotzdem gab es zwischen uns keine besondere Familienähnlichkeit. Was mich irgendwie traurig machte.
    Daniel öffnete die Haustür. Als wir vor einem Monat hierhergezogen waren, hatte ich überrascht festgestellt, dass ich das Haus mochte. Buchsbäumchen und Blumen umrahmten die glänzende Eingangstür und das Anwesen war riesig. Ich erinnere mich, dass mein Vater gesagt hatte, es sei gut viertausend Quadratmeter groß.
    Aber mein Zuhause war es nicht.
    Wir gingen zusammen hinein, eine vereinte Front. Ich konnte meine Mutter in der Küche herumschleichen hören, aber als sie uns hereinkommen hörte, erschien sie in der Diele.
    »Jungs«, schrie sie förmlich. »Wie war euer Tag?« Sie umarmte die beiden und übersah mich dabei geflissentlich.
    Mit kindlicher Begeisterung wärmte Joseph jede Einzelheit noch einmal auf und Daniel wartete geduldig ab, bis Mom ein paar Fragen in seine Richtung schicken konnte, während er den beiden in die Küche folgte. Ich erkannte die Möglichkeit zur Flucht, machte kehrt und ging durch den langen Flur zu meinem Zimmer, wobei ich auf der einen Seite drei Glastüren und auf der anderen mehrere Familienfotos passierte. Es waren Bilder von meinen Brüdern und mir als Babys und Kleinkinder sowie die obligatorischen unbeholfenen Grundschulbilder. Danach kamen Fotos von anderen Verwandten und meinen Großeltern. Heute stach mir eines davon ins Auge.
    Ein altes Schwarz-Weiß-Foto meiner Großmutter an ihrem Hochzeitstag blickte mir aus dem vergoldeten Rahmen entgegen. Ruhig und gelassen saß sie da, die hennabemalten Hände im Schoß und das glänzende, rabenschwarze Haar streng in der Mitte gescheitelt. Das Blitzlicht der Kamera ließ das Hochzeitsbindi zwischen ihren perfekt geschwungenen Augenbrauen aufleuchten und auf dem extravaganten Sari, in den sie gehüllt war, tanzten verschlungene Muster. Ein seltsames Gefühl überkam mich und verschwand wieder, ehe ich es benennen konnte.
    Dann flitzte Joseph durch den Flur und hätte mich um ein Haar über den Haufen gerannt.
    »’tschuldigung!«, schrie er und bog um die Ecke. Ich riss mich von dem Foto los, flüchtete in mein neues Zimmer und zog die Tür hinter mir zu.
    Ich ließ mich auf die flauschige weiße Steppdecke fallen und streifte mir am Fußende des Bettes die Turnschuhe ab. Mit dumpfem Poltern fielen sie auf den Teppich. Ich starrte auf die dunklen, kahlen Wände. Meine Mutter hatte sie rosa streichen wollen wie in meinem alten Zimmer; irgend so ein Psycho-Quatsch, der damit zu tun hatte, mich in dem zu verankern, was mir vertraut war. Wie dumm. Schließlich konnte mir eine Farbe Rachel nicht zurückbringen. Also spielte ich bei Mom die Mitleidskarte aus und durfte mir schließlich ein Mitternachtsblau auswählen. Es verlieh dem Zimmer etwas Kühles und ließ meine weißen Möbel edel wirken. Kleine

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