Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
einer Gruppe Polizisten in beigebraunen Uniformen, die große Schäferhunde an der Leine führten und hinter einer Reihe kleiner Neubauten ein Gräsermeer durchkämmten.
»Unseren Quellen zufolge hat die Autopsie der Fünfzehnjährigen verstörende Anhaltspunkte bezüglich der Todesursache zutage gebracht. Einzelheiten wollen die Behörden jedoch nicht preisgeben.«
»Wie gesagt, die Spuren sind das Ergebnis der Befragung von Zeugen, die sich gemeldet haben, und diesen Spuren werden wir heute weiter nachgehen«, erklärte ein Captain Ron Roseman vom Miami-Dade Police Department. »Aus ermittlungstechnischen Gründen kann ich auf keine weiteren Details eingehen.«
Dann leiteten die Fernsehsprecher fröhlich zur Diskussion über eine neue Alphabetisierungskampagne im Schulbezirk von Broward über. Mom gab mir die Fernbedienung zurück.
»Darf ich umschalten?«, fragte ich und gab mir Mühe, ruhig und gelassen zu klingen. Meine toten Freunde im Fernsehen zu sehen, hatte mich aufgewühlt, doch das durfte ich nicht zeigen.
»Vielleicht schaltest du besser aus. Das Essen ist fertig«, sagte sie. Sie wirkte besorgt. Mehr als sonst. Nicht zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht diejenige war, die Medikamente nehmen sollte.
Meine Brüder schlurften zum Tisch und ich gesellte mich mit einem schiefen Grinsen zu ihnen. Beim Essen versuchte ich, über ihre Witze zu lachen, doch ich konnte die Bilder von Rachel, Jude und Claire, die ich gerade gesehen hatte, einfach nicht ausblenden. Nein, nicht gesehen. Halluziniert.
»Stimmt irgendwas nicht, Mara?«, fragte meine Mutter und riss mich aus meiner Versunkenheit. Mein Gesichtsausdruck musste meine Gefühle widergespiegelt haben.
»Nein, nein«, sagte ich leichthin und stand mit gesenktem Kopf auf, um mein Gesicht hinter den Haaren zu verstecken. Ich nahm meinen Teller und trug ihn zur Spüle, wo er mir aus der glitschigen Hand rutschte und zerbrach. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Daniel und meine Mutter sich ansahen. Ich war ein Goldfisch im Aquarium ohne die obligatorische Höhle, in der ich mich verstecken konnte.
»Alles okay?«, fragte Daniel.
»Ja, klar. Ist mir nur aus der Hand gefallen.« Ich klaubte die Scherben aus dem Spülbecken und warf sie in den Müll, ehe ich mich mit der Begründung, Hausaufgaben machen zu wollen, zurückzog.
Als ich durch den Flur in mein Zimmer zurückging, warf ich einen Blick auf das Porträt meiner Großmutter. Ihre Augen starrten zurück und folgten mir. Ich wurde beobachtet. Überall.
10
D asgleiche unheimliche, lauernde Gefühl begleitete mich am nächsten Tag in die Schule. Ich konnte es einfach nicht abschütteln. Als Daniel auf den Parkplatz fuhr, sagte er zu mir: »Du solltest dir überlegen, öfter mal an die Sonne zu gehen.«
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. »Ist das dein Ernst?«
»Ich sage das nur, weil du ein bisschen blass um die Nasenspitze bist.«
»Ist notiert«, erwiderte ich trocken. »Wir kommen zu spät, wenn du keinen Parkplatz findest.«
Rachmaninow drang leise aus den Lautsprechern, schaffte es aber nicht, meine gereizte Stimmung zu heben.
Ebenso wenig wie Daniel. »Ich bin ernsthaft versucht, mich hier wie beim Autoscooter zu benehmen«, knurrte er mit zusammengepresstem Kiefer. Obwohl wir früh losgefahren waren, brauchten wir vierzig Minuten zur Schule, wo bereits eine ewig lange Schlange von Edelschlitten darauf wartete, aufs Schulgelände einzubiegen.
Wir beobachteten, wie zwei von ihnen von entgegengesetzten Enden des Platzes auf die gleiche Parklücke zuhielten. Eines der wartenden Fahrzeuge, eine schwarze Mercedeslimousine, fuhr mit quietschenden Reifen an und schoss vorwärts in die Lücke, wobei er dem anderen Wagen, einem blauen Focus, den Weg abschnitt. Der Focusfahrer drückte lang und gellend auf die Hupe.
»Verrückt«, sagte Daniel.
Ich nickte, während der Mercedesfahrer zusammen mit einem Beifahrer ausstieg. Ich erkannte die perfekt gestylte blonde Matte der Fahrerin, noch bevor ich ihr Gesicht sah. Anna natürlich. Dann erkannte ich auch die mürrische Miene ihres allgegenwärtigen Begleiters, Aiden, der auf der Beifahrerseiteausstieg.
Als wir schließlich einen Parkplatz gefunden hatten, lächelte Daniel mir zum Abschied zu.
»Schick mir einfach eine SMS, wenn du mich brauchst, ja? Mein Essensangebot für die Mittagspause steht noch.«
»Ich komme schon klar.«
Die Tür war noch offen, als ich im Klassenraum meines Englisch-Leistungskurses ankam,
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