Was gewesen wäre
trittst du auch besser in die Partei ein, damit du vielleicht Oberärztin werden kannst? Na, Assi, wie wäre das? Und ihr seid ja beide Ärzte und könnt euch vielleicht auch einen Lada leisten. Und damit fahrt ihr dann zu den Tschechen, ach, was sage ich, bis nach Bulgarien fahrt ihr. Ja, und das war es dann aber leider auch schon. Mehr ist dann nicht.«
»Und du«, sagte ich, und ich musste irgendetwas sagen, es lag mir auf der Zunge, aber leider quer, und fand den Weg nicht raus, sodass ich zu stottern begann. »Du, du, du lebst hier weiter von Stütze und wischst alten Omas illegal den Hintern ab, bis dich auch die allerletzte Schauspielschule abgelehnt hat. Wenn du dich überhaupt noch bewirbst und nicht eigentlich längst aufgegeben hast.«
Jana hielt mit beiden Händen die Eisenstange vor sich umfasst und starrte über die Mauer Richtung Horizont, wie eine Feldherrin. Ich lehnte mich mit dem Rücken an das Geländer und sah demonstrativ auf die Häuser des Weddings, auch wenn sie nicht sehr schön waren. Ich war wütend und ratlos und kam mir vor wie eine spießige Kleingärtnerin.
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Paul liegt mehr, als er sitzt in einem der dunkelbraunen Ledersessel in der Hotellobby. Der Zeigefinger seiner rechten Hand fährt über einen Riss im Leder, dessen Kanten scharf sind wie eine aufgeplatzte, schlecht verheilte Haut. Alles in dieser runden Empfangshalle des Gellért Hotels ist braun gehalten, selbst der Satyr, der im kleinen blumenbesetzten Springbrunnen steht, ist dunkelbraun. Trotz seines kleinen Pimmels könnte er auch ein Mädchen sein, denkt Paul. »So rund und geschwungen, wie der ist.« Er will nicht zum Tresen gucken, wo Astrid steht und noch einmal mit einer der Empfangsdamen spricht. Wegen dieses Julius. Gestern Abend waren sie nicht erfolgreich gewesen. Sie hatten sich regelrecht volllaufen lassen mit ungarischen Rotweinen, die ihnen der Kellner immer aufs Neue sehr freundlich und umständlich empfahl: »Sehen Sie, hier haben wir einen Wein aus dem besten Anbaugebiet unseres Heimatlandes.« Der dritte schmeckte tatsächlich so, wie Paul es mag. Ein bisschen Schwere und nicht zu fruchtig, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass es eben die dritte Flasche war. Danach sind sie noch runter an die Rezeption zum Nachtportier und haben versucht zu erfahren, ob Julius Herne hier im Hotel wohnt, oder sein Bruder, aber der Uniformierte schwieg eisern und sagte in tadellosem Deutsch, dass im Gellért Hotel keine Informationen über Besucher nach außen gegeben werden. »Und wie ist es mit ein bisschen Bakschisch?«, hatte Paul gefragt, und ihm wird jetzt noch ganz heiß, wenn er daran denkt. »Ich spreche kein Türkisch, mein Herr«, sagte der junge Mann mit den dreifingerdicken Koteletten. »Aber wenn Sie mich bestechen wollen, dann muss ich Sie enttäuschen.« Paul war das heute Morgen sehr peinlich. Auch das ist ein Grund, warum er nicht Richtung Empfangstresen guckt, wo Astrid steht und nun schon eine Weile mit einer Frau spricht. Offensichtlich hat sie heute mehr Erfolg.
Astrid sieht in das sanfte Gesicht der Ungarin hinter dem Tresen. Sie muss etwa ihr Alter sein. Sie hat nur wenige, nicht besonders tiefe Falten um die Augen und eine beneidenswert glatte Stirn. Langsam scrollt sie sich durch die Liste der Besucher. »Mein Mann glaubt hier gestern einen alten Freund gesehen zu haben. Aus Deutschland. Könnten Sie mir verraten, ob der hier ist? Julius Herne heißt er«, hatte Astrid sie gefragt. Die Frau hat nur gelächelt statt zu antworten und sich dem Computer zugewandt. »Mein Mann«, hat Astrid gesagt, obwohl Paul das ja gar nicht sein soll. Nie wieder soll einer ihr Mann sein, aber »mein Freund« bringt sie auch nicht über die Lippen. Und warum sie Julius zu Pauls Klassenkameraden gemacht hat, ist ihr selbst auch nicht klar. »Nein, ein Julius Herne ist nicht im Hotel. War es auch nicht in den letzten Tagen.«
»Das ist ja komisch. Mein Mann war sich so sicher. Und Sie wissen auch nicht, ob er in den letzten Jahren hier war. Ich meine, ob das ein Stammgast ist oder so?«
Die Ungarin lächelt noch immer absolut gleichbleibend und schüttelt den Kopf. »Ich bin seit über zehn Jahren hier und den Namen habe ich noch nie gehört. Da glaube ich nicht, dass das ein Stammgast ist.«
»Na, dann vielen Dank.« Astrid nimmt ihre Handtasche vom Tresen und geht auf Paul zu, der in einem der Sessel fläzt. Er sieht ganz schön fertig aus, aber er hat von den drei Flaschen Wein gestern sicher auch
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