Was ich dir noch sagen will
heraus. Es war eine Notiz von Erik:
Komme heute etwas später nach Hause ...
Riesenknutsch, E.
Lisa verdrehte die Augen, musste aber dennoch schmunzeln. Sie wusste genau, dass «etwas später» bei Erik eigentlich «sehr viel später» hieß. Sie ging an den Kühlschrank in der Hoffnung, dass noch etwas von dem Schokopudding übrig war, den sie gestern gekocht hatten. Und tatsächlich entdeckte sie eine immerhin noch halb gefüllte Schüssel und stellte sie auf den Küchentisch. Dann ging sie kurz zurück in den Flur, um die Wunschliste aus ihrer Tasche zu holen.
Lisa nahm den Stift vom Kühlschrank, setzte sich auf die Küchenbank und machte sich über den köstlich aussehenden Pudding her. Während sie genüsslich löffelte, widmete sie sich der Liste und ging in Ruhe alle Punkte durch, inklusive derer, die in den vergangenen Wochen noch dazugekommen waren:
K!
Ein ganzes Wochenende im Bett verbringen
Traumhaus im Grünen Häuschen mit Gemüsegarten und Obstbäumen
Tango-Kurs m. E.
Baum pflanzen
Tier aus Tierheim holen (Katze!)
Instrument lernen (Klavier ? !!!)
Sprache lernen ( Italienisch ) (Spanisch?)
alle ungelesenen Bücher im Regal lesen Bände von «Harry Potter» im Original lesen
die Welt verbessern (Herr Griesgram?)
Gedichte schreiben
alle Hausbewohner kennenlernen
Hochzeitsfotos einkleben!!! —> und auch verschenken!
Restaurantbesuch (wo der Tisch direkt am Meer steht)
Der Zettel sah schon recht mitgenommen aus. Lisa hatte ihn mehrfach zusammengefaltet und wieder auseinandergenommen, einige Punkte durchgestrichen oder kommentiert und andere dazugeschrieben. Kurzerhand beschloss sie, eine neue Liste anzulegen und es sich mit dem Pudding im Wohnzimmer gemütlich zu machen.
Nachdem sie aus dem Arbeitszimmer Papier geholt hatte, schaltete sie die Musikanlage ein, legte das danebenliegende Album von Silbermond ein und kuschelte sich aufs Sofa. Sie nahm noch zwei weitere große Löffel Pudding zu sich und spürte förmlich eine feierliche Stimmung in sich aufsteigen.
Sie hatte noch gut drei Wochen, dann würde sie Erik die Punkte an ihrem Hochzeitstag vortragen. Erik hatte seine Liste bestimmt längst fertiggestellt, mutmaßte Lisa. Versonnen starrte sie auf das weiße Blatt und versuchte, sich zu konzentrieren.
Wie es sich wohl anfühlte, eines Tages zu beurteilen, was sie in ihrem hoffentlich langen Leben wohl richtig gemacht haben würde und was nicht. Sie fragte sich, welche Erlebnisse im Rückblick wohl zu den schönsten zählen würden und bei welchen sie Reue empfände oder Zerknirschung, weil sie womöglich etwas verpasst hätte.
Vielleicht würde sie ja tatsächlich eines Tages Enkelkinder haben, dachte Lisa, denen sie von ihrem Leben erzählen konnte. Doch was könnte sie dann berichten? Ihre Oma Helene hatte im Alter jede Menge Weisheiten parat gehabt.
Sicher fragten sich Menschen im Alter, ob sie in ihrem Leben Fußspuren hinterließen und ob sie die Welt zumindest ein kleines bisschen besser gemacht hatten. Denn waren es nicht vor allem die Taten, auf die die Menschen stolz waren und die sie gern weitererzählten?
Doch worauf wäre sie am Ende ihres Lebens stolz, fragte Lisa sich und stach mit ihrem Löffel noch einmal in die Puddingschale. Was hatte sie bisher erreicht? Oder was konnte sie tun, um etwas Positives zu bewirken? Aber sie würde ja nicht gleich die ganze Welt verbessern müssen. Aber sie könnte auch im Kleinen anfangen, in ihrer eigenen kleinen Welt.
Sie könnte zum Beispiel Herrn Griesgram einen Gefallen tun, dachte sich Lisa. Der Mann tat ihr leid, und am liebsten hätte sie Erik darum gebeten, dass er ihm einfach mal seine Dienste als Arzt anbot. Doch sie ahnte schon jetzt, dass Erik sie für diesen naiven Vorschlag bloß auslachen würde.
Aber es musste doch irgendetwas geben, was ihr zumindest die Illusion gab, einen Beitrag für einen fremden Menschen zu leisten. Etwas, das auch nachhaltig Wirkung zeigte.
Lisa sah sich um, und ihr Blick fiel auf ein Foto von Emi und ihr. Und wenn sie nun …
Das ist es!, dachte Lisa plötzlich begeistert. Sie würde die Patenschaft für ein Kind übernehmen! Nicht wie bei Emi, an deren Leben sie ja ohnehin schon teilnahm und um die sie sich kümmerte. Schließlich war sie nicht nur die Tante, sondern auch die Patin ihrer Nichte.
Aber Lisa dachte an ein Kind, das sie nicht kannte und wohl auch nie kennenlernen würde. Ein benachteiligtes Kind aus einem der ärmsten Länder der Erde. Wie oft hatte sie schon gelesen oder auch
Weitere Kostenlose Bücher