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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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einen, den sie nach jeder Begegnung um eine persönliche Anekdote ergänzte, bevor sie ihn schließlich übergab. Sie könnte ihn ihr zum 18. Geburtstag schenken. Sicher würde sich Emi freuen, wenn sie später einmal nachlesen könnte, dass sie als Fünfjährige von «Kohlrollläden» gesprochen hatte.
    Aber noch viel lieber würde Lisa natürlich eines Tages ihre eigene Tochter oder ihrem eigenen Sohn einen Brief schreiben. Das Zeugnis einer hoffentlich schönen Kindheit. Eine Art Schatztruhe voller Erinnerung.
    Als plötzlich das Lied «Irgendwas bleibt» ertönte, wurde Lisa ganz warm ums Herz. Der Refrain «Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit» kam ihr zwar kitschig und gefühlsduselig vor. Doch Lisa verspürte auf einmal eine große Sehnsucht danach, einem kleinen Menschen Schutz und Geborgenheit zu schenken. Nachdenklich lehnte sie sich zurück und seufzte.
     
    Wie lange sie gedankenverloren so dagesessen hatte, vermochte Lisa nicht mehr zu sagen, als sie den Schlüssel in der Wohnungstür hörte und aufschreckte.
    Sofort griff sie nach der Liste und faltete sie zusammen. Doch noch ehe sie sie verstecken konnte, kam Erik auch schon ins Wohnzimmer und auf sie zu. Er schien zu wittern, dass dies nicht bloß ein Einkaufszettel war, lenkte sie mit einem Küsschen ab und schnappte sich das Stück Papier.
    «Was ist das?», fragte er scheinheilig.
    «Nichts!», rief Lisa energisch und sprang auf. Sie unternahm einen vergeblichen Versuch, das Blatt wieder an sich zu reißen.
    Erik machte sich einen Spaß daraus. Er streckte seinen Arm in die Höhe und drehte sich im Kreis, sodass Lisa nicht an die Liste herankam.
    «Jetzt bin ich aber gespannt», sagte Erik frech und rannte in den Flur.
    Lisa eilte ihm hinterher. «Gib mir den Zettel!», befahl sie, doch ohne jeden Erfolg.
    Erik stürzte ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Er knipste die Nachttischlampe an und faltete das Papier auseinander.
    «Nein!», schrie Lisa und stürzte sich lachend auf ihn.
    Auch Erik lachte und fühlte sich durch ihre Hysterie offenbar nur noch mehr angestachelt. Mit einer Hand hielt er sie von sich, mit der anderen hob er sich den Zettel vor die Nase. Lisa zappelte und versuchte, sich aus seinem festen Griff zu befreien.
    Doch schließlich gelang es Erik, einen Blick auf die Liste zu werfen. Etwas abschätzig zitierte er: «Patenschaft für ein Kind?!»
    «Gib das wieder her!», rief Lisa, langte mit einem Arm vor und entriss ihm den Zettel.
    «Ist ja schon gut», sagte Erik kleinlaut, und es klang beinahe ein wenig angesäuert. Dann fügte er noch hinzu: «Du weißt, dass so ein paar Euro pro Monat eh nichts bringen?!»
    Lisa stockte. «Wie … Wie kannst du so etwas sagen? Wenn jeder so dächte wie du, dann könnte die Menschheit ja gleich komplett einpacken.»
    Erik stieß ein abfälliges Stöhnen aus und sagte: «Wenn jeder so dächte wie ich, hätten wir die meisten Probleme gar nicht.» Er richtete sich im Bett auf. «Es ist immer noch am besten, man leistet direkte Hilfe zur Selbsthilfe, als irgendwelchen Funktionären oder Marketingfuzzis von Organisationen Geld in den Rachen zu schmeißen.»
    Damit stand er auf und ließ Lisa alleine auf dem Bett zurück.
    Er wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als sie ihm hinterherrief: «Wenn du unbedingt direkt helfen willst, gehen wir morgen zu Herrn Griesgram!»
    Sie fühlte sich in ihrer guten Absicht missachtet und wollte ihn provozieren.
    «Fängst du jetzt schon wieder damit an?», fragte Erik genervt und warf ihr einen abschätzigen Blick zu.
    «Ja, ich fang schon wieder damit an.»
    Erik konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken und winkte genervt ab. «Der Mann ist selbst schuld an seiner Lage.»
    «Wie bitte? Du weißt doch gar nichts von diesem armen Kerl. Was ist denn bloß mit dir los?», fragte Lisa verunsichert. Sie fühlte sich getroffen und konnte einfach nicht verstehen, was in ihm vorging.
    «Was soll sein?», erwiderte Erik grantig. «Ich komme hungrig vom Training nach Hause … Ist eigentlich noch Pudding da?»
    Sein Ton klang auf einmal wesentlich wärmer und verbindlicher, sodass Lisa ein schlechtes Gewissen bekam und ihn verstohlen ansah.
    «Äh, nicht wirklich», stotterte sie.
    «Hast du ihn etwa komplett aufgegessen?»
    Lisa nickte und spielte nervös mit ihrem Ring.
    Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, sagte sie ruhig, aber nicht ohne ihre Traurigkeit zu verbergen: «Früher bist du sogar spätabends noch extra einkaufen gegangen, wenn ich

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