Was ich dir noch sagen will
ihm schon seit Beginn ihrer Beziehung in den Ohren lag.
Weniger hatten sie dagegen um das Thema «Baum pflanzen» verhandeln müssen, dafür aber umso mehr über die Filme von
Herr der Ringe
und vor allem über die Silvesterparty.
Lisa konnte sich rein gar nicht dafür erwärmen, einen kompletten Sonntag für ein paar Filme zu opfern, bei denen sich ihr die Nackenhaare schon sträubten, wenn sie nur daran dachte. Noch dazu wollte Erik ursprünglich die Originalfassungen in Englisch und im Director’s Cut sehen!
Erik dagegen machte sich absolut nichts aus großen Feiern, und er verstand auch nicht, warum Lisa so viel Wert darauf legte, eine riesige Sause zu veranstalten und noch dazu die Nachbarn einzuladen. Warum wollte sie überhaupt alle Menschen im Haus mit Namen kennen? Er wechselte nur selten mal ein Wort mit ihnen.
Sie hatten sich schließlich darauf geeinigt, beide Punkte in Angriff zu nehmen – allerdings in abgespeckter Form.
An Silvester würden sie eine Feier in kleinerem Rahmen machen und dazu nur die engsten Freunde, aber immerhin auch alle Bewohner aus dem Haus einladen. Und Lisa wiederum hatte versprechen müssen, dass sie sich die DVD s in normaler Länge und auf Deutsch und vor allem vollkommen unvoreingenommen anschauen würde. Denn Erik war überzeugt, sie würden auch ihr gefallen, solange sie sich nur wirklich darauf einließ.
Ungeduldig schaute Lisa jetzt zum x-ten Mal innerhalb von zehn Minuten auf die Uhr.
Das ist so typisch, dachte sie, dass Erik rumbummelt, wenn er etwas gegen seinen Willen tun soll.
Dabei war es doch äußerst spannend, zu sehen, ob sie Herrn Griesgram oder aber einem anderen Bedürftigen eine Freude bereiten konnten.
«Meinst du, wir tun das Richtige?», fragte Erik skeptisch, als er endlich wieder in die Küche trat.
Obwohl er bereits komplett angezogen war, strahlte er keine enthusiastische Aufbruchstimmung aus. Seine Mütze hatte er absichtlich so weit ins Gesicht gezogen, dass er ein vollkommen trottelhaftes Bild abgab.
Lisa erhob sich amüsiert vom Stuhl und ging lächelnd auf ihn zu. Behutsam streichelte sie ihm über den Mützen-Kopf und zitierte mit ironischer Genugtuung in der Stimme ihren Lieblingsautor Philip Roth: «Du weißt doch: Das Handeln ist der Feind der Gedanken.»
Erik verzog seine Mundwinkel. «Und wenn uns der Penner das Portemonnaie klaut?», fragte er bemüht besorgt. «Dann ist es das Ende der guten Gedanken.»
Doch sein spöttischer Blick verriet, dass dies bloß ein weiterer kläglicher Versuch war, eine Ausrede zu erfinden.
Kurz entschlossen fasste Lisa ihn am Arm und zog ihn hinter sich her aus der Wohnung.
Auf dem Weg nach unten unternahm Erik noch weitere Versuche, ihr Vorhaben im denkbar schlechtesten Licht erscheinen zu lassen. Aber Lisa ließ sich nicht beirren und trat wild entschlossen nach draußen, wo es inzwischen schon wesentlich kühler geworden war und ein wenig dämmerte.
Sie schob ihren Mann Richtung Osterstraße. Als sie jedoch um die Ecke an der Bäckerei bogen, konnte Lisa Herrn Griesgram nirgends entdecken.
«Tja», sagte Erik mit gespieltem Bedauern, «ich hätte ja gern geholfen. Aber er ist nicht da.»
Spielerisch boxte sie ihm in die Seite und schob ihn weiter. «Dann suchen wir uns eben ein anderes Opfer», erwiderte sie feierlich, obwohl sie ein wenig enttäuscht darüber war, dass Herr Griesgram offenbar ausgerechnet heute bereits vor Ladenschluss abgetaucht war.
Sie schlenderten die belebte Straße entlang und ließen sich immer wieder von ihrem Vorhaben ablenken. Am Eingang der Buchhandlung und vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäfts herrschte noch munteres Treiben.
Vielleicht sollten sie und Jutta spätestens zum Weihnachtsgeschäft ihre Öffnungszeiten erweitern und darüber in einem Flyer informieren, dachte Lisa und seufzte mit leisem Bedauern darüber, dass sie sich die Miete in dieser Straße einfach nicht leisten konnten.
Gerade als Lisa laut darüber nachdachte, ob sie ihr Vorhaben besser verschieben sollten, glaubte sie, Herrn Griesgram vor einem Kiosk an der nächsten Kreuzung entdeckt zu haben.
«Komm!», sagte sie entschieden und zog Erik mit sich.
«Das ist er nicht», erwiderte Erik mürrisch, allerdings ohne richtig hinzusehen.
«Doch», erklärte Lisa in einer Bestimmtheit, der Erik nichts entgegensetzen konnte. «Das ist er. Das ist unser Mann.»
Als sie sich dem Kiosk näherten, verlangsamte Lisa allerdings ihren Schritt. Ob es überhaupt richtig war, einen Fremden
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