Was ich dir noch sagen will
Augen, die trotz allem eine gewisse Hoffnung, wenn nicht gar Lebensfreude ausstrahlten.
Nachdem Georg einen weiteren großen Schluck Kaffee genommen hatte, fragte er Lisa: «Wie läuft denn Ihr Laden?»
Lisa freute sich zwar über das Interesse. Doch es bereitete ihr trotzdem Unbehagen, ausgerechnet mit einem Mann darüber zu sprechen, der selbst einmal Inhaber eines Geschäfts gewesen war. In wenigen Worten berichtete sie von Jutta und ihrem gemeinsamen Label. Aber es erschien ihr nicht richtig, auch ihre Ängste und Sorgen zu erwähnen, die sie aufgrund der akuten Flaute verspürte, und die nagende Frage, ob sie mit ihrer Selbständigkeit den richtigen Weg eingeschlagen hatte.
Doch Georg hörte ihr aufmerksam zu und stellte kluge Fragen nach dem Standort ihres Geschäfts, dem Warenwert sowie dem Umsatz in Relation zu den Fixkosten. Er schien noch immer etwas von dem Metier zu verstehen.
Auch Erik forderte er auf, aus seinem Leben als Arzt in der physiotherapeutischen Gemeinschaftspraxis zu berichten. Wie sich herausstellte, war Georg früher nicht nur ein guter Sportler gewesen und hatte es zum Landesmeister im Weitsprung geschafft. Sondern er erwähnte zudem auch mit einer gehörigen Portion Stolz, dass sein Sohn wohl auch angehender Mediziner sei.
Als Georg schließlich noch wissen wollte, ob sie denn auch Kinder hätten, sahen sich Lisa und Erik überrascht an.
«Äh, nein, wir haben keine Kinder», brachte Erik schließlich hervor.
«Nein?», fragte Georg sichtlich erstaunt. «Warum nicht?»
Lisas Herz klopfte plötzlich spürbar, und sie musste sich sehr bemühen, so sachlich wie möglich zu bleiben. «Es hat bisher einfach noch nicht gepasst.»
Georg sah sie ungläubig an. «Eines Tages ist es zu spät!», erklärte er, und seine Worte klangen fast ein wenig mahnend. «Wenn ich einen Rat geben darf: Das Schlimmste im Leben ist die Reue – die Reue, etwas nicht getan zu haben.»
Lisa musste schlucken. Georg hatte in einem Grundton so tiefer Überzeugung gesprochen, dass es vollkommen überflüssig schien, dem noch etwas entgegenzusetzen oder aber weiter nachzubohren, aus welchen konkreten Erfahrungen oder eben nicht gemachten Erfahrungen er diese Erkenntnis gewonnen hatte.
Auch Erik hakte nicht weiter nach, sondern ging lieber dazu über, Georg nach seinem Gesundheitszustand zu befragen. Doch die ausweichende Reaktion machte ihm schnell klar, dass er einen weiteren wunden Punkt getroffen hatte.
Unruhig rutschte Georg auf seinem Stuhl hin und her. «Tja, ich zieh dann mal weiter», sagte er plötzlich und erhob sich.
Lisa konnte gar nicht so schnell reagieren, so überrumpelt fühlte sie sich. Schließlich hatten sie ihm noch gar nicht richtig geholfen. Lisa hätte ihn so gerne mit einer Aufmerksamkeit, einem neuen Mantel vielleicht, bedacht. Doch sie wusste nicht, wie sie dieses Angebot anführen sollte, ohne Georg bloßzustellen. Also sagte sie nur: «Kommen Sie mich doch mal im Laden besuchen. Wir haben immer mal Sachen, von denen wir froh sind, wenn sie das Lager nicht vollstopfen», schwindelte sie. «Vielleicht ist ja mal was Passendes für Sie dabei.»
Doch Georg nickte bloß und wendete sich bereits zum Gehen, sodass sie beide wussten, er würde die Einladung niemals annehmen.
Später, als Lisa und Erik schweigend ihre Einkäufe nach Hause in ihre warme Wohnung trugen, musste Lisa immer wieder an Georgs sanften Blick denken – und daran, wie oft er sich am Ende für die nette Einladung bedankt hatte.
Beim Abschied hatte er ihnen alles Gute gewünscht, vor allem für «die vielen, kleinen Babys, die sicher bald kommen würden».
Sie sah in den dunklen Himmel und registrierte die ersten zarten Schneeflocken, die den nahenden Winter ankündigten. Und obwohl Lisa durchaus zufrieden war über die Tatsache, dass sie einem Bedürftigen nicht bloß einen Kaffee spendiert, sondern auch ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten, hinterließ diese denkwürdige Begegnung einen bitteren Beigeschmack.
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16.
Die folgenden Wochen verliefen für Lisa und Jutta ziemlich stressig.
Entgegen den schlimmsten Befürchtungen nahm das Weihnachtsgeschäft so sehr an Fahrt auf, dass sie und Katja alle Hände voll zu tun hatten. Während ihre Kundinnen offenbar etwas Besonderes für die Weihnachtsfeier oder den Silvesterabend suchten, verirrten sich auch ein paar Männer in den Laden, weil sie noch Geschenke für ihre Liebsten suchten. Vor allem Accessoires waren sehr gefragt.
Am
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