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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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nicht auf das Thema Nachwuchs ansprechen würde.

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17.
    Lisa dröhnte der Kopf. Wieso nur hatte sie sich von Jutta dazu überreden lassen, die Inventur ausgerechnet heute am Neujahrstag zu machen? Lisa hatte zwar in der Silvesternacht nur ein paar Gläser Sekt getrunken. Doch sie war spät ins Bett gekommen, und drei Stunden Schlaf waren eindeutig zu wenig gewesen.
    Erik hatte noch in der Nacht, nachdem die letzten Gäste in ihren Wohnungen verschwunden waren, angefangen aufzuräumen. Und da Lisa nun mal die Idee zu dieser etwas schrägen Party gehabt hatte, fühlte sie sich verpflichtet, mitzuhelfen, das Chaos, so schnell es ging, zu beseitigen.
    «Früher warst du nicht so eine Memme», sagte Jutta, als sie ihr von einer Leiter aus einen Stapel Schals aus einem Regal herunterreichte. Offenbar machte Lisa noch immer einen gequälten Gesichtsausdruck.
    «Ich bin das Feiern einfach nicht mehr gewohnt», jammerte sie müde und ließ für einen Moment die Leiter los, um die Schals beiseitezulegen.
    «Ey!», beschwerte sich ihre Freundin. «Festhalten, hab ich gesagt!»
    Lisa gehorchte artig und nahm nur noch mit einer Hand weitere Taschen und Tücher entgegen. Wie verabredet wollten sie nämlich nicht nur ihren Bestand und die Diebstahlquote checken, sondern auch einmal gründlich saubermachen.
    «Also, ich fand’s lustig gestern. Du nicht?», fragte Jutta gutgelaunt weiter.
    «Schon», stimmte Lisa ihr nachdenklich zu, «aber irgendwie hab ich was anderes erwartet.»
    «Was denn?», fragte Jutta, ohne ihr hyperaktives Treiben zu unterbrechen.
    «Weiß nicht», murmelte Lisa, «ich dachte, ich lerne die Leute besser kennen – wenn man schon unter einem Dach wohnt.»
    «Aber das ist doch immer so, dass man sich als Gastgeber nicht so entspannt unterhalten kann.»
    Lisa stieß einen zustimmenden Seufzer aus und machte sich daran, die Regalböden abzuwischen.
    «Also, ich fand’s total nett.» Jutta hielt inne und streichelte verträumt über einen Stapel flauschiger Pullover.
    «Ja, vor allem diesen Paul. Oder wie heißt dein neuer Schülerschwarm nochmal?», stichelte Lisa.
    «Der ist kein Schüler. Der studiert Jura!»
    «Ist trotzdem zu jung für dich.»
    Nun drehte sich Jutta zu Lisa nach unten und verzog ihre Mundwinkel. «Ist ja nicht jeder mit Mitte dreißig so ein spießiger Mutti-Typ wie du.»
    «Ich bin kein Mutti-Typ!», protestierte Lisa und ließ den feuchten Lappen fallen.
    Behände stieg Jutta von der Leiter, sodass sie Lisa direkt in die Augen blicken konnte. «Aber du wärst es gern. Und das ist dein Dilemma.»
    Lisa hob die Augenbrauen und stöhnte auf. Schon wieder waren sie bei diesem leidigen Thema angelangt, von dem sie sich noch um Mitternacht gewünscht hatte, dass es sie im neuen Jahr – wenn überhaupt – nur positiv beschäftigen würde. Aber als sie die kleine Nachbarsfamilie während des Feuerwerks dabei beobachtete, wie sie eng umschlungen den bunten Hamburger Himmel bewunderten, war sie ganz melancholisch geworden. Es war so rührend zu sehen, wie der kleine Ole, der rechtzeitig zu Mitternacht aus seinem improvisierten Bettchen in Lisas Gästezimmer geholt worden war, schlaftrunken, aber fasziniert beobachtete, wie die Jungs eine Rakete nach der anderen zündeten. Auch die lauten Knaller konnten ihm nichts anhaben. Stattdessen blickte er zwischen seinen Eltern hin und her und forderte sie mit glänzenden Augen dazu auf, immer noch mehr «Bumm» zu machen. Sein vergnügtes Lachen war ansteckend, und Lisa sah sich mehrfach verliebt nach Erik um. Ihr Mann stand ein paar Meter weiter weg und schien mit Knuth gedanklich gerade in einer ganz anderen Welt unterwegs zu sein als sie. Die beiden sprachen über ihre Pläne für das neue Jahr, und Lisa schnappte mal wieder Wörter wie Trainingsoptimierung und Bestzeiten auf. Als sie sich dazugesellte, wurde sie schlichtweg ignoriert.
    Lisa erinnerte sich, wie sie ihre wehmütigen Gefühle in dem Moment dem Alkohol zuschrieb. Doch jetzt überkam sie eine neue Welle der Traurigkeit. Sie war zwar noch ziemlich müde, aber doch auch schon wieder ganz klar im Kopf. Und sie spürte eine undefinierbare Angst – Angst davor, dass sie und Erik sich in diesem neuen Jahr letzten Endes doch in zwei komplett unterschiedliche Richtungen entwickeln würden.
    «Ach, Süße», sagte Jutta nun versöhnlich, «lass den Kopf nicht so hängen. Irgendwie werdet ihr euch schon einig.» Sie sah Lisa aufmunternd an. «Tut mir leid, wenn ich was

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