Was ich dir noch sagen will
Blödes gesagt habe. Komm, wir trinken jetzt erst mal einen Kaffee. Die Staubmäuse können warten!»
Als Lisa am späten Nachmittag wieder auf dem Weg nach Hause war und überall noch die hässlichen Papierfetzen und leeren Flaschen auf den Straßen liegen sah, drängten sich ihr bei diesem Anblick Assoziationen zu ihrer Ehe auf.
Gestern Abend wirkte alles bunt, jede abgefeuerte Rakete versprühte hoffnungsvolle Funken auf eine sorgenfreie Zukunft, und das laute Knallen würde alle traurigen und bösen Gedanken für immer verstummen lassen.
Die gemeinsame Zukunft mit Erik wird noch schöner und bunter, dachte Lisa, denn die Magie der Silvesternacht speist sich aus einer Sehnsucht nach Zuversicht. Und die ist uns beiden gemein. Doch dann, am nächsten Morgen, kriecht die bittere Schalheit in den Alltag zurück, und alles, was bleibt, sind traurige Spuren, die jeglichen Zauber verloren haben.
Als sie in die Osterstraße einbog, schüttelte Lisa den Kopf über sich und ihre komischen Gedanken.
Wieso nur, fragte sie sich, fühlte sie sich so melancholisch und leer? War sie etwa Opfer ihrer Hormone, die ihr vorgaukelten, nur eine sofortige Schwangerschaft könnte sie aus ihrem emotionalen Loch herausholen? Oder sehnte sie sich bloß danach, einfach wieder einen festen Platz in dieser unüberschaubaren Welt zu finden? Vielleicht sehnte sie sich auch nur nach echter Nähe mit Erik, die sich anfangs so mühelos zelebrieren ließ und die sich in letzter Zeit so selten von allein einstellte.
Nein, ermahnte Lisa sich innerlich, Schluss jetzt mit dem Grübeln! Sie würde jetzt auf der Stelle umkehren und in Eriks Lieblings-Sushi-Bar eine Platte für zwei Personen ordern. Heute Abend würden sie es sich so richtig schön gemütlich machen – ohne dass sie irgendwelche Punkte auf einer ominösen Liste dafür brauchten. Und auch ohne jede Grübelei, die sämtliche Lebensfreude schon im Keim erstickte.
Lisa atmete tief durch und spürte, wie die kühle Luft in ihren Körper drang. Ein Blick gen Himmel, wo gestern noch das bunte Feuerwerk die Nacht erhellte und wo nun die ersten Sterne auszumachen waren, gab ihr ein gutes Gefühl von verlässlicher Beständigkeit.
Als sie wenig später mit den frisch zubereiteten Leckereien im Haus eintraf, war sie endlich wieder bester Laune.
Im Treppenhaus begegnete sie Johann, dem Vater des kleinen Ole. Auch er hatte für seine Familie etwas zu essen geholt. Er bedankte sich noch einmal für die tolle Feier. Dann fachsimpelten sie noch darüber, wo es im Stadtteil wohl das leckerste Sushi zu essen gab, und wünschten sich schließlich noch einen schönen Abend.
In großen Schritten eilte Lisa die Treppe hinauf.
Hoffentlich hat Erik auch Lust auf Sushi, dachte sie. Sie würden zahlreiche Kerzen anzünden, sich zusammen gemütlich in die Wolldecke auf dem Sofa kuscheln und vielleicht einen alten Film ansehen.
Lisa schloss die Wohnungstür auf und rief sogleich nach Erik. Doch es kam keine Antwort.
Als ihr Blick auf den kleinen gelben Zettel auf der Kommode fiel, starb die Vorfreude auf einen romantischen Abend schlagartig. Ungläubig las sie die Nachricht, die Erik ihr hinterlassen hatte:
Hi Motte,
hoffe, dein Tag war nicht zu anstrengend ...
Bin mit Knuth zum Schwimmtraining
und anschließend ’ne Kleinigkeit essen.
Riesenknutscher, E.
Lisas Magen schrumpfte auf einen kleinen, festen Klumpen zusammen. Obwohl sie mit aller Macht versuchte, den neuen Anflug von Enttäuschung zu ersticken, schlug der Schmerz mit voller Wucht zu. Sie musste sich an die Wand lehnen, so schwach fühlte sie sich plötzlich. Sie sank zu Boden und ließ ihren Tränen freien Lauf.
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18.
Lisa saß schon eine ganze Zeit lang missmutig auf dem Sofa. Obwohl der Fernseher seit Stunden lief, sah sie gar nicht richtig hin. Als sie endlich den Schlüssel in der Wohnungstür hörte, griff sie schnell nach einer Zeitschrift und blätterte darin.
Erik trat ins Wohnzimmer und begrüßte sie mit einem flüchtigen Küsschen auf die Wange. «Hi, Motte!», sagte er gutgelaunt und schaute gleich zum Bildschirm, während er sich seine Fahrradjacke auszog.
Lisa tat so, als würde sie hochkonzentriert lesen. Sie hatte einfach keine Lust, nett zu ihm zu sein. Nicht an diesem enttäuschenden, einsamen Abend.
«Willst du auch noch was trinken?», fragte Erik und marschierte schon in Richtung Küche.
Doch Lisa blieb stumm.
Sollte sie jetzt etwa eine Grundsatzdiskussion anzetteln?, fragte sie
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