Was ich dir schon immer sagen wollte
unerwarteten Verwertung, diesem plötzlichen Abstand beeindruckt zu sein.
»Es fällt mir natürlich leichter, weil ich das zweite Kind bin«, ließ June sie wissen und außerdem jeden, der vielleicht gerade zuhörte. »Ich war von der Schuld befreit«, sagte sie, »die wurde gänzlich Eileen aufgebürdet.« Unter den freundlichen, aber forschenden Blicken dieser Psychologie- und Soziologiestudenten sah sich Eileen, die inzwischen von ihrem eigenen Studium verdüstert genug war, schuldbeladen und ahnungslos herumrudern; ihre belanglosen, beliebigen Literaturseminare, ihren lästigen Liebhaber (Howie, der Mann, den sie später heiratete, und von dem sie sich dann wieder scheiden ließ) mit sich herumschleppen; herumtorkeln wie eine Fledermaus in hellem Tageslicht. Erstaunlich, wie es June gelungen war, innerhalb eines Jahres ihren Teenagerspeck abzulegen, ihr stammelndes Suchen nach Worten, ihre Unschuld, ihre Unselbständigkeit, ihre Verwirrung und ihre Dankbarkeit. Wer hätte gedacht, dass in ihr eine laute, klare Stimme, ein gerötetes, knochiges Gesicht und ein nervöser, sich rasch bewegender Körper nur darauf warteten, zum Vorschein zu kommen, ebenso wie all diese Gewissheit? Nur zwei Jahre vorher hatte sie Gedichte geschrieben, sie hatte die Bücher gelesen, die Eileen las, sie schien die vage Vorstellung zu haben, sich in allem ihrer älteren Schwester anzupassen. Davon konnte nun keine Rede mehr sein.
Womit sie natürlich Weitblick bewiesen hatte. Eileen hatte Howie geheiratet, den mürrischen Journalisten, der ihr ein kleines Mädchen hinterließ, für das sie sorgen musste. June hatte Ewart geheiratet und sich darangemacht, das gemeinsame Leben zu gestalten. Während Eileens Leben keine bestimmte Gestalt annahm, von Krisen in Stücke gerissen, von Freudigem aus der Bahn geworfen, wurde Junes Leben planvoll aufgebaut, bewusst gelebt, war erfüllt . Sich treiben lassen und Trübsal blasen, dafür war kein Platz. Gelegenheiten wurden beim Schopf ergriffen.
War das wieder eine Gelegenheit?
»Den hier habe ich vorige Woche gepflanzt, Douglas hat mir dabei geholfen«, sagte Ewart und zeigte ihr einen niedrigen, stacheligen Strauch. Er gebrauchte den Namen seines Sohnes genauso, wie June es tat, wie sonst auch, aber hervorgehoben. Natürliches, uneitles Feingefühl und Zaudern machten seine Hervorhebung weniger unangenehm als ihre. Dann sprach er über japanische Gärten. Er erzählte ihr, dass einst in Japan genau festgelegt war, welche Höhe die Trittsteine haben durften. Für den Kaiser waren sie sechs Zoll hoch, dann bis hinunter zum gemeinen Volk und Frauen, die auf anderthalb Zoll hohen Trittsteinen gingen. Er war gerade dabei, Wasser einzubauen.
»Das Geräusch des Wassers ist in japanischen Gärten genauso wichtig wie sein Anblick. Es wird hier herunterströmen, siehst du. Es wird wie ein winziger Wasserfall sein, zweigeteilt durch diesen Stein. Alles ist maßstabsgetreu. Dadurch erzielt man die außerordentliche Wirkung. Wenn man ihn anschaut und dabei nichts anderes anschaut – nach einer Weile wirkt er dann wie ein echter Wasserfall, in einer echten Landschaft.«
Er sprach von den Vorrichtungen für das Wasser, dem System unterirdischer Rohre. Er besaß immer ein ungemein umfangreiches, präzises Wissen über seine jeweiligen Projekte, begleitet von unbeirrbarem Enthusiasmus. Er schien immer mehr zu wissen, als sogar jemand, der solche Dinge zu seinem Beruf gemacht hatte, zu wissen brauchte. Vielleicht lag das daran, dass er eigentlich keinen Beruf hatte, er musste nicht seinen Lebensunterhalt damit verdienen.
Eine Gelegenheit, warum nicht? Eine Gelegenheit, jene Werte, nach denen wir unser Leben ausrichten, an den Tag zu legen, zur Sprache zu bringen, auf die Probe zu stellen. Ewart und June richteten ihr Leben nach Werten aus, behaupteten sie. Warum nicht?, dachte Eileen, während sie sich den Vortrag über Wasserrohre anhörte und dann, als dieses Thema erschöpft war, einen über Sträucher. Sie sah es doch wohl lieber, wenn ein Todesfall vor aller Augen in seiner Gänze und Unvermeidlichkeit ausgestellt wurde? Ohne Religion ging das nicht. Das heißt, es ging nicht. Und angenommen, ihre Tochter, angenommen, Margot? Sie hatte sofort daran gedacht, als sie es hörte, wobei sich Erleichterung und Entsetzen sonderbar abwechselten. Es war, als hätte Douglas, indem er den Blitz anzog, den Kindern aller anderen einen Hauch von Sicherheit gegeben, aber gleichzeitig daran erinnert, dass der Blitz
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