Was ich dir schon immer sagen wollte
und locker zusammengefügt und miteinander verhakt zu sein schienen, dass die agilen Flächen seines Gesichts und auch die oft gefährlichen Bewegungen seiner Glieder etwas Unkoordiniertes, Unerwartetes an sich hatten. Er wird von seinen Nerven zusammengehalten, sagte eine Freundin von mir im College, als ich ihn das erste Mal mitbrachte, und das stimmte; danach konnte ich die feurigen Stränge beinahe sehen.
Als ich Gabriel kennenlernte, erzählte er mir, dass er das Leben genoss. Er sagte nicht, dass er daran glaubte, es zu genießen; er sagte, dass er es tat. Was mir für ihn peinlich war. Ich glaubte niemandem, der so etwas sagte, und brachte diese Behauptung ohnehin mit unsensiblen, sich selbst rühmenden und insgeheim unangenehm unsicheren Männern in Verbindung. Aber es scheint die Wahrheit zu sein. Er ist nicht neugierig. Er kann sich freuen und lächeln und mich streicheln und leise sagen: »Warum machst du dir darüber Sorgen? Das ist doch nicht dein Problem.« Er hat die Sprache seiner Kindheit vergessen. Seine körperliche Liebe war mir erst fremd, denn ihr fehlte die Verzweiflung. Er liebte mich sozusagen ohne Nachdruck, ohne eine Erinnerung an Sünde oder Hoffnung auf Verworfenheit. Er beobachtet sich selbst nicht. Er wird niemals ein Gedicht darüber schreiben, und es kann gut sein, dass er alles nach einer halben Stunde vergessen hat. Vielleicht sind solche Männer die Normalität. Nur dass ich mich nie mit solchen durchschnittlichen Männern eingelassen hatte. Ich habe mich immer gefragt, ob ich mich in ihn verliebt hätte, wenn sein Akzent und seine vergessene, fast vergessene Vergangenheit nicht gewesen wären; wenn er zum Beispiel ein Maschinenbaustudent im selben Jahrgang wie ich am College gewesen wäre. Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen. Was jemanden an einen Mann oder eine Frau fesselt, mag so etwas Oberflächliches wie ein rumänischer Akzent oder die sanfte Wölbung eines Augenlids sein, ein halb gelogenes Geheimnis.
Hugo umgab kein derartiges Geheimnis. Es fehlte mir nicht, ich wusste nichts davon, vielleicht hätte ich nicht daran geblaubt. Ich glaubte damals an etwas anderes. Nicht, dass ich ihn kannte, durch und durch, aber der Teil, den ich kannte, war in meinem Blut und verursachte mir von Zeit zu Zeit heftigen Ausschlag. Nichts dergleichen mit Gabriel, er beunruhigt mich nicht, ebenso wenig, wie er sich selbst aus der Ruhe bringen lässt.
Es war Gabriel, der Hugos Geschichte für mich fand. Wir waren in einer Buchhandlung, und er kam mit einem großen, teuren Taschenbuch, einer Sammlung von Kurzgeschichten. Hugos Name stand auf dem Einband. Ich fragte mich, wie Gabriel es gefunden hatte, was er überhaupt in der Belletristikabteilung des Ladens verloren hatte, er liest nie Romane. Ich fragte mich, ob er manchmal hinging und nach Sachen von Hugo suchte. Er interessiert sich für Hugos Karriere, wie er sich für die Karriere eines Zauberkünstlers oder Schlagersängers oder Politikers interessieren würde, zu denen er durch mich eine einleuchtende Verbindung hätte, einen Beweis für deren Realität. Ich glaube, das liegt daran, dass er selbst solch anonyme Arbeit tut, Arbeit, die nur Berufskollegen verständlich ist. Ihn faszinieren Menschen, die wagemutig unter den Augen der Öffentlichkeit arbeiten, die ohne den Schutz eines speziellen Fachwissens – so muss es einem Ingenieur vorkommen – einfach versuchen, sich selbst zu vertrauen, die ihre Trickkiste aufmachen und hoffen, Anklang zu finden.
»Kauf es für Clea«, sagte er.
»Ist das nicht viel Geld für ein Taschenbuch?«
Er lächelte.
»Hier ist ein Foto von deinem Vater, deinem leiblichen Vater, und er hat diese Geschichte geschrieben, vielleicht magst du sie lesen«, sagte ich zu Clea, die sich in der Küche einen Toast machte. Sie ist siebzehn. Hin und wieder isst sie Toast und Honig und Erdnussbutter und Schokokekse und Sahnequark und Huhnsandwiches und Bratkartoffeln. Wenn jemand Bemerkungen über das macht, was sie isst oder nicht isst, kann es sein, dass sie hinaufrennt und ihre Zimmertür zuknallt.
»Er sieht übergewichtig aus«, sagte Clea und legte das Buch hin. »Du hast immer gesagt, er war spindeldürr.« Ihr Interesse an ihrem Vater steht ganz unter dem Gesichtspunkt der Erblichkeit und der Gene, die er an sie weitergegeben haben kann. Hatte er einen schlechten Teint, hatte er einen hohen Intelligenzquotienten, hatten die Frauen in seiner Familie große Brüste?
»Er war es, als ich ihn
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