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Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Titel: Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Hoffmann
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johlenden Metzger den Rücken zu. Der Alte kam her, klopfte ihm auf die Schulter, Bub, trink ein’ Schluck. Er nahm die Flasche, der Mund füllte sich mit Birne. Sie brannte im Hals, im Magen, aber der Geruch war weg. Bub, sagte nur der alte Leo. Aber dass es so nass war hier draußen. Das Schwein hing an der Leiter, und der Metzger stand mit dem Hackebeil, stand mit der Axt davor und schlug zu. Es war nass, er sucht mit der Hand nach der nassen Stelle. Licht brennt in der Zimmerecke, es ist das Notlicht, auch das Licht an seinem Bett ist an. Es ist ihm kalt, dort, wo es nass ist. Er zieht seine Hand unter der Decke hervor und greift über sich, dann fallen ihm die Augen wieder zu. Das Schwein lag über dem Trog.
    Herr Bili ń ski!
    Niemand hatte sich die Mühe gemacht, »Herr Bili ń ski« zu sagen. Hol Wasser, Herr Bili ń ski! Herr Bili ń ski!
    Paula rührte Blut. Der Alte legte ihm die Hand auf die Schulter. Jemand rüttelte an ihm. Er schlägt die Augen auf.
    Ich bin wieder da, sagt sie.
    Ist gut, er schließt die Augen. Dahinter scheint das Licht rötlich und warm. Er hört sich atmen, röchelnd klingt das inzwischen. Er zählt die Atemzüge, als zögen Schiffe vorbei, durch einen Kanal, kommen, gehen. Kommen, gehen, kommen. Wellen bewegen das Bett, es schaukelt. Paula berührt seinen Rücken. Er mag diesen Geruch nicht, aber die Tiere, ihre weichen Schnuten, diese feuchten flachen Rüssel. Die Schweine stehen vor dem gewässerten Futtertrog, stehen im Wasser, Wellen kommen die Treppe hinab. Woher kommen die Wellen? Die Schweine grunzen laut, ihre Schwänze wackeln wie solche von fröhlichen Hunden. Oder sind das Hundeschwänze? Izy. Er legt Izy eine Hand auf den Kopf, Izy grunzt. Eine Welle spült über den Hund. Izys Schwanz fällt ab und wird mit der Welle weggespült. Izy! Paula tritt neben ihn. Er leert den Kübel in den Trog, da schwimmt auf dem Wasser dreckiges Brot. Paula berührt ihn am Arm. Er bekommt Angst.
    Geh!
    Sie schaut ihn mit großen Augen an, macht einen Schritt und steht zwischen ihm und den Schweinen, die grunzen weiter und immer lauter. Das Wasser reicht ihnen bis zum Bauch. Er hat Angst. Sie rückt ihr Gesicht zu ihm hin, sie will ihn küssen, das darf sie nicht, er geht einen Schritt rückwärts, sie folgt ihm, es ist schwierig, im Wasser rückwärtszugehen. Sie darf ihm nicht so nahe kommen. Das weiß sie doch. Er kann nicht sprechen, aber er muss ihr doch sagen, dass sie das nicht darf. Er geht noch einen Schritt zurück. Ein Mann steht zwischen den Schweinen im Wasser. Er muss ihr sagen, dass sie nicht alleine sind, dass da jemand ist. Er schaut an ihr vorbei, aber sie kommt näher, ihre Nase ist sehr nah, ganz nah. Er geht einen Schritt zur Seite. Der Mann schaufelt das Wasser zur Seite, es rollt wieder zurück, aber der Mann schaufelt und schaufelt. Izy bellt. Paula steht auf seinem Fuß. Nein! Paula hebt die Hand. Er muss doch die Schweine füttern. Hinter dem Mann fällt eine Wand heraus. Das Wasser läuft in den Hof, da stehen Leute, zum Glück läuft das Wasser in den Hof. Jemand spricht in gleichmäßigem Rhythmus Sätze. Da hält jemand eine Rede, aber der Mann scheint es nicht zu bemerken, und Paula auch nicht. Er macht eine Bewegung mit den Armen. Paula ist nun ganz nah vor seinem Gesicht. Er hat Angst. Aber zum Glück ist das Wasser weg. Sie darf ihn hier nicht küssen, sie ist schon viel zu nah, sie ist schon viel zu weit gegangen. Er versucht seinen Fuß anzuheben, das geht, aber dann fällt er, rückwärts. Paula verschwindet. Es ist laut. Es ist gar nicht laut, es ist ein ganz dumpfes Geräusch in seinem Ohr. Er rudert mit den Armen, nicht untergehen, das Wasser kommt, neeeeein.
    Jemand hält ihn fest.
    Herr Bili ń ski! Es passiert nichts, Sie träumen nur.
    Er spürt seine Hände, vielleicht als Erstes, und wie sie sich im weißen Betttuch festhalten, er sieht das. Das Licht: Stehlampe, Notlicht, Leselicht. Im Fernsehapparat, den er nie benutzt, das Weiß des Kittels der kleinen Schwester im Spiegel. Das kennt er schon.
    Es ist nichts, sagt sie. Sie haben nur geträumt.
    Nur ist gut! Antwortet er.
    Er träumt halbwach, so kommt ihm das jedenfalls vor, wenn er immer weiter versinkt in diesem Film, den er selbst dreht, der sich selbst dreht.
    Bleiben Sie bitte hier, sagt er zur kleinen Schwester, die steht neben ihm.
    Wie viel Uhr ist es?
    Es ist kurz nach zwölf.
    Er sagt nicht, die Stunde zwischen drei und vier kommt noch, er weiß es so gut, wie sie es weiß. Sie

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